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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg
Autoren: Dorothy Dunnett
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Der Schleusenwärter verstaute sein Bier und ging davon, um die Schleusenklappen zu öffnen. Vom Oberwasser getragen blickte Julius über das geschlossene Holztor hinweg voraus, den Kanal hinunter, der schnurgerade das Marschland durchschnitt, bis zu den fernen Türmen von Brügge. Gleich vor der Schleuse lag am Ufer doppelt vertäut noch ein Lastkahn, der, die Nase seewärts gerichtet, auf Einfahrt wartete.
    Auch dieser Lastkahn lag tief im Wasser, und er hatte ebenfalls nur ein Stück Fracht geladen; einen fest vertäuten, an die fünfzehn Fuß langen Gegenstand, der nicht wie das für die Residenz Prinsenhof bestimmte Badebassin zu beiden Seiten über den Dollbord hinausragte, sondern wohlgeborgen zwischen den Schiffswänden lag und im Wellengang kaum schwankte.
    Oberhalb des Lastkahns, auf einem Platz am Ufer, den man eigens frei gemacht und abgesperrt hatte, stand eine Gesellschaft unzweifelhaft hochgestellter Persönlichkeiten, unter ihnen eine Dame mit der hohen burgundischen Frauenhaube, dem Hennin. Vom Oberwasser blickten Julius, Felix, Claes und die Leichterschiffer zu ihnen hinunter.
    Fahnen flatterten. Soldaten standen stramm. Eine Gruppe vornehm gekleideter Kirchenvertreter umgab einen Bischof, einen mittelgroßen, breitschultrigen Mann, dessen Gewand von Edelsteinen funkelte. Julius wußte, wer er war. Ihm gehörte die schottische St. Salvator, das größte Schiff, das sie in Sluis gesehen hatten. Es hatte seine Ladung bereits gelöscht gehabt und war dabeigewesen, neue Ladung für Schottland aufzunehmen.
    »Das ist Bischof Kennedy, der Cousin des schottischen Königs«, sagte Felix. »Er will den Winter in Brügge verbringen. Und das sind seine Begleiter, die er aus Schottland mitgebracht hat; anscheinend sind sie seit der Landung in Damme geblieben. Worauf warten die alle?«
    »Auf uns«, antwortete Claes vergnügt. Die Feder wippte leise.
    »Auf den Lastkahn«, sagte Felix. Hin und wieder kam bei ihm der künftige verantwortliche Bürger zum Vorschein. »Was hat der geladen? Ist das vielleicht Fracht für die St. Salvator?«
    Hin und wieder hatte Felix recht. »Wichtige Fracht«, sagte Julius. »Schau hin! Überall das Siegel von Herzog Philipp.«
    Natürlich, daher der kriegerische Geleitschutz und die herausgeputzten Würdenträger. Im Schatten des herzoglichen Banners stand der stellvertretende Schatzmeister des Herzogs, und unter der Fahne der Stadt Brügge hatten sich der Bürgermeister und zwei Schöffen gruppiert. Dazu der geschäftstüchtigste Kaufmann und einer der wohlhabendsten Bürger: Anselm Adorne, im pelzverbrämten Gewand, das lange Poetengesicht von den breiten Bändern seines Huts umrahmt. Er war in Begleitung seiner Frau, die über ihrem drahtverstärkten Kopfputz vernünftigerweise eine Kapuze trug und offenbar nur zur Betreuung der einzigen Dame in der kleinen Gesellschaft des Bischofs mitgenommen worden war. Diese Dame war, wie sich zeigte, als sie sich herumdrehte, ein sehr hübsches und sehr schlecht gelauntes junges Mädchen.
    »Das ist Katelina van Borselen«, sagte Felix. »Sie ist neunzehn. Sie haben sie zum Heiraten nach Schottland geschickt. Sie ist wohl mit dem Bischof zurückgekommen. Vielleicht bin ich blind, aber ich sehe keinen Ehemann.«
    Verheiratet oder nicht, das junge Mädchen namens Katelina trug jedenfalls den hohen burgundischen Hennin. Der Wind hatte ihn erfaßt und spielte so wild mit seinem Schleier, den er bald blähte, bald um den hohen Kegel der Haube wickelte wie um eine Fahnenstange, daß das Mädchen ihn mit beiden Händen festhalten mußte. Sie trug keinen Ring, aber an ihrer Seite waren zwei mögliche Anwärter, vermutlich mit demselben Schiff angekommen. Der eine war ein eleganter bärtiger Mann höheren Alters mit einer gefältelten Kopfbedeckung und einem Gewand, von dem Julius hätte schwören können, daß es aus Florenz stammte, Der andere war irgendein alberner Kavalier.
    Ein guter Astrologe hätte Julius in diesem Moment beim Arm genommen. Ein guter Astrologe hätte gesagt: Sieh den Bischof nicht an. Sprich nicht mit der Dame. Halte dich fern von Anselm Adorne und dem bärtigen Florentiner. Und vor allem, mein Freund, geh jetzt von Bord, bevor du die Bekanntschaft des Mannes machst, den du soeben einen albernen Kavalier genannt hast.
    Niemand nahm Julius beim Arm. Das Schicksal, das andere Pläne hatte, ließ ihn den Anfall von Eifersucht bezwingen und anerkennen, daß der hellhäutige junge Mann, der da in einem seidenen Wams, so kurz wie
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