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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg
Autoren: Dorothy Dunnett
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Strafe.«
    »Und wie steht’s, wenn einer Bier stiehlt?« gab Felix zurück. »Wenn Ihr Euren Hund wiederhaben wollt, dann kommt herunter und holt ihn Euch.«
    Felix mußte noch viel lernen. Julius ließ ihn weiterschimpfen. Oben wandte sich Simon ab, ohne sie weiter zu beachten, und fixierte mit starrem Blick den Schleusenwärter, der eilig davonschoß und mit dem Bier zurückkam. Er stellte die Kanne vor Simon nieder. Die junge Frau mit der hohen Haube, Katelina, war inzwischen herangekommen. »Ich dachte, nur das arbeitende Volk trinke Bier«, sagte sie.
    In den schönen Augen blitzte es kurz auf. Sie hatte ihn durch ihr Kommen überrascht. »Wer im Schweinepferch sitzt, muß mit den Schweinen grunzen«, sagte er. »Ihr habt die Wahl: Bier oder noch eine halbe Stunde mit dem Bischof.«
    »Bier«, entschied sie ruhig. Sie sprach schottisch, was nicht leicht zu verstehen war. »Bezahlt den Mann. Oder die jungen Leute.«
    Der Schleusenwärter hatte seine Meinung über Simon revidiert. Er verstand Schottisch und sagte jetzt: »Dank Euch, Demoiselle. Meester Julius kann Euch sagen, was es wert ist. Er hat in Bologna die Rechte studiert.«
    Statt blaß zu werden, musterte Simon mit abschätzendem Blick noch einmal die Leichtermannschaft und faßte schließlich den unter den Seeleuten ins Auge, der am erbärmlichsten aussah, einen Mann mit drei Tage altem Stoppelbart und Hautausschlag. »Meester Julius?« fragte er.
    »Meester Julius?« sagte Claes im selben Moment.
    »Schon gut«, wiegelte Julius ab. Er wußte, daß der andere ihn provozieren wollte. Aber er wußte auch, daß er sein Geld bekommen würde, und wenn er es als Lösegeld für den Hund erpressen mußte.
    »Gebt ihm ein Geldstück«, sagte das junge Mädchen. »Hier.« Sie neigte den Kopf leicht zur Seite - der Hennin schwankte dabei wie ein Schiffsmast - und begann, die Tasche an ihrem Gürtel zu öffnen. Sie hatte dunkle, klar gezeichnete Brauen und eine zarte Haut, deren Farbe ein wenig lebhafter war infolge ihrer Erheiterung oder Verstimmung. Julius betrachtete sie.
    »Meester Julius«, sagte Claes.
    Der schöne Simon legte lächelnd seine Hand auf die des Mädchens, griff in seine eigene elegante Börse und zog eine Handvoll kleiner ausländischer Münzen heraus. Bewußt nachlässig warf er sie ins Schiff hinunter und sah lächelnd zu, wie die einen kreisend im Badebassin umhersprangen und die anderen in die Ritzen zwischen den Bodenplanken und unter die herumliegenden Taue rutschten. Dann hörte er auf zu lächeln und sagte in scharfem Ton: »Hände weg von meinem Hund!«
    Er hatte zu Claes gesprochen. Julius schaute sich um. Sie sanken jetzt schneller. Die Verholtrossen glitten durch die Hände der Leichterschiffer. Die Gruppe der Würdenträger, aller Augen auf das Schiff in der Schleuse gerichtet, entschwand ihren Blicken.
    Über ihnen türmte sich grün vom Tang die Schleusenwand. Wie immer hatte sie undichte Stellen, aus denen das Wasser in den Leichter hinunterspritzte und den gepolsterten Schoß von Felix’ Wams übergoß. Es rann über Julius’ Lieblingstoque und traf den Jagdhund, der mit allen vieren auf seiner abgeschnallten Schabracke mit dem Wappen der Kilmirren stand und jetzt knurrend zur Seite wich. Seine funkelnden Augen waren auf Claes gerichtet. Mit dem Wappen war kein Staat mehr zu machen.
    »Es tut mir leid, Meester Julius«, sagte Claes, »aber ich mußte etwas tun. Dem Herzog von Burgund wär’s nicht recht gewesen.«
    Julius fing an zu lachen. Im selben Moment sprudelte ein starker Wasserschwall aus der Wand und ergoß sich in Kaskaden über das Schiff. Mit immer stärkerer Kraft strömte das Wasser herab und sammelte sich rasch in einer Ecke des herzoglichen Bassins, das hierauf zu kippen begann und den Leichter ins Krängen brachte. Die erschrockenen Schiffsleute taten nichts, als das lose Tau nach oben zu laufen begann. Ein weiterer Guß, heftiger als alle bisherigen, stürzte auf der anderen Seite in das Badebassin, das sich genau in dem Augenblick zu drehen begann, als das landwärts gelegene Schleusentor sich öffnete und die Verholtrossen herabfielen.
    Hoch über ihnen rief der Schotte etwas, bleich im Gesicht vor Zorn. Katelina, die neben ihm stand, biß sich auf die Unterlippe. Das Bier stand vergessen zwischen ihnen. Im Leichter dachte niemand daran, das Geld aufzusammeln.
    »Wir fahren rückwärts«, sagte Felix.
    »Seitwärts«, widersprach Claes nachdenklich.
    »Vorwärts«, sagte Julius.
    Das Schleusentor
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