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New York - Love Story

New York - Love Story

Titel: New York - Love Story
Autoren: Katrin Lankers
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meine Mutter hat offensichtlich
unerschütterlich gute Laune und setzt sofort eine
versöhnliche Miene auf.
    »Natürlich tust du das, mein Schatz. Ich war nur überrascht,
dich zu sehen. Ich dachte, du übernachtest bei Simon.«
    Autsch, Volltreffer in den wunden Punkt. Ich ringe die Tränen
nieder, damit meine Mutter nichts bemerkt. Wenn ich
ihr als Erstes die ganze Simon-Misere auftische, wird sie wissen,
was es mit meinen Sprachschulplänen in Wahrheit auf
sich hat – und das darf auf keinen Fall passieren. Meine Mutter
muss glauben, dass es mir einzig und allein um die Verbesserung
meiner Englischkenntnisse geht, ansonsten heißt
es garantiert: »Bye-bye, New York!«
    »Simon hat heute Morgen einen Termin mit seiner Band.«
Immerhin ist das noch nicht einmal gelogen.
    »Schade.« Mom ist, genau wie ich, daran gewohnt, dass
meinem Freund öfter mal etwas dazwischenkommt, also hakt
sie zum Glück nicht nach. Stattdessen deutet sie einladend
zum Frühstückstisch und holt zwei Teller aus dem Schrank.
Ich setze mich auf meinen Lieblingsplatz, einen Korbstuhl
mit Armlehnen und einem dicken, karierten Kissen, und bestaune
den reich gedeckten Tisch: Croissants und Brötchen,
eine Wurstplatte, Rühreier, Marmelade, Quark … Dieses Bild
ist in unserer Küche eine Seltenheit, um nicht zu sagen: eine
Premiere!
    »Erwartest du jemanden?«, frage ich vorsichtig.
    »Kaffee?«, erwidert meine Mutter.
    »Fragst du mich das im Ernst?«
    Mom weiß genau, dass sie einen Koffein-Junkie großgezogen
hat, und stellt bereits einen großen Becher Kaffee mit
geschäumter Milch vor mich hin. Gierig trinke ich den ersten
Schluck und verbrenne mir prompt die Zunge. Ich fluche
und meine Mutter lacht.
    »Gierschlund«, neckt sie mich, während sie sich elegant,
einen nackten Fuß untergeschlagen, auf den Stuhl neben mir
setzt. Sie pustet auf ihren eigenen Kaffee und betrachtet mich
über den Rand ihrer Tasse hinweg mit einem undefinierbaren
Ausdruck. Wieder einmal staune ich darüber, wie gut meine
Mom mit ihren vierundvierzig Jahren selbst ungeschminkt
noch aussieht. Um ihre dunkelbraunen Augen kräuseln sich
winzige Falten, denn sie lacht viel, ansonsten ist ihre Haut
glatt. Den etwas zu großen Mund habe ich von ihr geerbt, doch während er bei mir unter meiner kleinen Nase deplatziert
wirkt, macht er ihr Gesicht erst richtig interessant.
    Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Wie soll ich meiner Mutter
beibringen, dass sie mir ein Flugticket nach New York
kaufen und mir eine teure Sprachschule bezahlen muss?
Nervös greife ich nach einem Croissant, reiße ein Stück ab
und fange an, es zu zerbröseln.
    Normalerweise kann ich mit Mom über alles reden. Sie ist
mehr wie eine Freundin als wie eine Mutter für mich. Ich war
drei, als sie sich von meinem Vater getrennt hat, weil er das
Geld, das sie als Angestellte in einer Kunstgalerie verdiente,
lieber mit seinen Künstlerfreunden in irgendwelchen Bars
ausgab, anstatt uns den Kühlschrank zu füllen. Mein Dad verschwand
kurz danach mit einer neuen Frau nach Südfrankreich
und meine Mom hat mich allein großgezogen. Natürlich
ging sie weiter arbeiten und machte ihren Job wohl auch
ziemlich gut. Vor sechs Jahren wurde sie Geschäftsführerin
der Galerie und verdiente genug, um das alte Schulhaus zu
kaufen und zu renovieren, in dem wir heute leben. Viel Zeit,
um mich zu beglucken, blieb ihr nebenbei allerdings nicht.
Trotzdem hat sie mir immer gut zugehört, und ich habe ihr
alles erzählt, was mich beschäftigt hat. Nur im Moment fällt
mir einfach nicht ein, wie ich loslegen soll …
    »Niki, das Croissant ist schon tot«, reißt Mom mich aus
meinen Gedanken. Schuldbewusst schaue ich auf meine
Hände, die das Hörnchen beinah in seine Moleküle zerlegt
haben.
    Ich hole tief Luft, doch wieder kommt mir meine Mutter
zuvor.
    »Schatz, ich muss etwas mit dir besprechen«, eröffnet sie
mir. »Eigentlich dachte ich, wir klären das morgen beim
Abendessen …« (Unser Sonntagspizzaessen beim Italiener
ist ein heiliges Ritual.) »… aber wo du schon mal hier bist,
können wir auch gleich darüber reden.«
    Jetzt bin ich baff. Eigentlich war doch ich diejenige, die
etwas zu besprechen hat.
    »Äh, ja …«, steuere ich wenig gewandt zu unserem Gespräch
bei.
    »Ich weiß, es ist nicht gerade dein Lieblingsthema«, fängt
meine Mutter wenig verheißungsvoll an. »Aber ich habe
noch mal nachgedacht, was wir bezüglich deiner schlechten
Englischnoten unternehmen können. Ich meine: Englisch
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