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New York - Love Story

New York - Love Story

Titel: New York - Love Story
Autoren: Katrin Lankers
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und bleibt mit dem Po an die Arbeitsplatte
gelehnt stehen. Sie hebt ein Bein und drückt ihren Fuß gegen
das Knie des anderen Beins. Das ist garantiert eine ihrer
Yoga-Übungen. Der sterbende Storch oder so.
    »Nikilein«, sagt sie mit ihrer schmeichelnden Überredungsstimme.
»Natürlich habe ich dabei nur an dich gedacht.
Du magst vielleicht keine Erfahrungen mit kleinen Kindern
haben, aber du bist der verantwortungsvollste Mensch, den
ich kenne. Jede Mutter würde dir ihre Kinder ohne Bedenken
anvertrauen. Und vergiss nicht: Die Zwillinge sind keine
Babys mehr, sondern schon sieben Jahre alt, du musst also
weder Windeln wechseln noch sie mit Brei füttern.«
    Ich stöhne vernehmlich. Sieben Monate oder sieben Jahre –
wo ist da der Unterschied? In meinem Kopf entsteht bereits ein Horrorszenario: Ich werde den ganzen Sommer auf Spielplätzen
herumhängen, Sandkuchen backen, Schniefnasen
putzen, Trinkpäckchen reichen … Womöglich in einer dieser
ausgestorbenen amerikanischen Vorstädte, die man aus dem
Fernsehen kennt, wo sich Reihenhaus an Reihenhaus reiht
und das nächste Kino und die nächste Kaffeebar eine halbe
Weltreise entfernt liegen.
    Ahhhhh! Das darf auf keinen Fall passieren. Ich muss doch
nach New York. Ich muss Simon suchen! Aber wie soll ich meiner
Mutter meine Sprachschulpläne jetzt noch schmackhaft
machen, nachdem sie selbst eine so perfekte Lösung gefunden
zu haben meint?
    »Mom …«, werfe ich ein. Ich rutsche auf der Stuhlkante
ganz weit nach vorn und verschränke meine Hände auf
dem Tisch ineinander. Ich muss jetzt ruhig bleiben, damit
ich meine Argumente geordnet und überzeugend vortragen
kann. Aber ich komme schon wieder nicht zu Wort.
    »Hör zu, Niki«, erklärt meine Mutter bestimmt und stellt
ihre Tasse schwungvoll hinter sich auf die Arbeitsplatte, sodass
ein wenig Kaffee herausschwappt. »Du wirst einen fantastischen
Sommer bei Madeleine und ihrer Familie verbringen.
Das bisschen Babysitten erledigst du mit links, lernst,
quasi ohne Anstrengung, nebenbei, besser Englisch zu sprechen,
und in deiner Freizeit kannst du die spannendste Stadt
der Welt erkunden. Ich selbst war ja noch nie in New York …«
    »Aber, Mom …«, versuche ich es noch einmal, klappe meinen
Mund aber ganz schnell wieder zu.
    Moment. Hat meine Mutter gerade wirklich New York gesagt?
»Ich darf nach New York fliegen?«, frage ich verdutzt,
erhalte jedoch keine Antwort. Mom starrt über mich hinweg
auf die Tür, und als ich ihrem Blick folge, sehe ich, was ihre
Sprachlosigkeit verursacht hat. Im Türrahmen lehnt, einen
Arm lässig in die Hüfte gestützt, braun gebrannt und nur mit
scheußlichen kotzgrünen Boxershorts bekleidet: Pedro.
    »Guten Morgen, ihr Hübschen«, sagt der Latino-Adonis
mit einem Lächeln, das in ein breites Gähnen übergeht, wobei
er sich räkelt und seinen muskulösen sowie unbekleideten
Oberkörper zur Schau stellt.
    »Du bist schon wach«, kommentiert meine Mutter erstaunt
eine unübersehbare Tatsache. Pedros Anwesenheit in unserem
Türrahmen ist ihr offensichtlich unangenehm. Ihr Blick
flattert von ihm zu mir und sie seufzt. »Entschuldige, Niki.«
    In unserer Mutter-Tochter-Beziehung gab es bislang eine
unumstößliche Regel und die lautete: keine Männerbesuche!
Zumindest galt das für die Männer meiner Mutter, Simon
durfte ich natürlich mit nach Hause bringen, aber so häufig
war er eh nicht bei uns. Mom hingegen hat keinen Kerl mehr
angeschleppt, seit mein Vater ausgezogen ist. Natürlich hat
sie nicht dreizehn Jahre lang enthaltsam gelebt, aber sie fand
es wichtig, dass unser Mädelshaushalt nicht von irgendwelchen
fremden Männern durcheinandergebracht wurde. Und
vermutlich wollte sie nicht, dass ich mich an einen von ihnen
zu sehr gewöhne, denn das Mindesthaltbarkeitsdatum ihrer
Beziehungen war meist nach kurzer Zeit abgelaufen.
    Und jetzt also Pedro! Ich kenne Pedro schon aus der Galerie,
wo er seit ein paar Monaten als Aushilfe arbeitet. Pedro
kommt aus Mexiko und ist Künstler – er stellt riesige Skulpturen
aus Holz her, die er in einer alten Fabrikhalle lagert
und die, soweit ich weiß, niemand kauft, weil sie gar nicht
in ein normales Wohnzimmer passen würden. Nebenbei studiert
Pedro Kunst an der Uni und das bringt uns zum eigentlichen
Knackpunkt: Pedro ist fünfzehn Jahre jünger als
meine Mutter!
    »Mom …?« Mehr bringe ich nicht raus. Und meine
Stimme hört sich an wie von einem kleinen Mädchen, das
gerade seine Eltern dabei erwischt hat, wie sie die
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