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Neville, Katherine - Der magische Zirkel

Titel: Neville, Katherine - Der magische Zirkel
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Schmugglern von waffenfähigem Material, versuchter mehrfacher Mord in einem Fluß, Ermordung des Regierungsbeamten Theron Vane – dies alles verblaßte in meinen Augen neben der Tatsache, daß Wolfgang versucht hatte, seinen Halbbruder Sam zu ermorden.
    In der Stadt füllte Olivier gegen Dark Bears Landrover gelehnt auf einem Klemmbrett die nötigen Formulare für die Überstellung seiner zwei Gefangenen aus. Der Pod wurde aufgrund seiner hohen Stellung als Leiter der Nuklearanlage als erster in das gepanzerte Polizeifahrzeug gesetzt, das ihn in ein Bundesgefängnis brachte, wo er voraussichtlich bis zu seinem Prozeß bleiben würde.
    Wolfgang, der inzwischen das Bewußtsein erlangt hatte, saß gefesselt im Landrover und bat, mit mir allein sprechen zu dürfen. Also stiegen die anderen aus und standen um das Auto herum, während ich mich umdrehte, um Wolfgang ins Gesicht zu sehen – ein Gesicht voll von blutigen Kratzspuren und mit dem Ausdruck unverhohlenen Schmerzes, der eine tiefere Ursache zu haben schien als eine angeschossene Hand oder ein gebrochenes Bein. Die türkisfarbenen Augen, bei denen ich noch vor kurzem weiche Knie bekommen hatte, wirkten fremd und beängstigend nach allem, was geschehen war.
    «Ariel», sagte er, «kannst du dir vorstellen, wie weh es mir tut, dich anzusehen? Ich habe geglaubt, du hättest gewußt, daß ich dich liebe.
    Und jetzt muß ich feststellen, daß du mich die ganze Zeit angelogen hast.»
    Ich hatte ihn angelogen? Das überstieg, gelinde ausgedrückt, das sprichwörtliche «Ein Esel nennt den anderen Langohr»! Seit Wochen hatte ich unter jedem Stein, den ich umdrehte, neue Lügen gefunden. Ich hatte Wolfgang so oft zur Rede gestellt und immer wieder Lügen gehört und leichtgläubig Lügen geschluckt, nur um in seinen Armen und in seinem Bett zu liegen. Nachdem er zum Schluß versucht hatte, sein Ziel mit der Pistole in der Hand zu erreichen, hielt ich es für gnädiger, vorläufig keinen Kommentar abzugeben.
    «Du hast gewußt, daß Sam lebt, und hast es trotzdem verschwiegen!» stieß er verbittert hervor. «Du hast mich nur belogen.»
    «Wolfgang, du hast versucht, ihn zu töten!» Ich hielt das für eine naheliegende Erklärung. «Hättest du auch deine Schwester und mich getötet?»
    - «Ich hebe dich», sagte er zwischen schmalen Lippen, während er sichtlich litt. «Natürlich hätte ich keinen von euch getötet», fuhr er nach einer kleinen Pause fort. «Das wäre doch Wahnsinn. Seh ich aus wie ein wahnsinniger Mörder? Ich wollte nur diese alten Schriften haben, die so wichtig sind. Oh, Ariel, verstehst du denn nicht? Du und ich, wir hätten dieses Wissen richtig anwenden können. Wir hätten so viel erreichen können. Mit Hilfe dieser Manuskripte hätten wir gemeinsam eine bessere Welt geschaffen.»
    Er unterbrach sich und fügte leiser hinzu: «Ich weiß, was du gedacht hast, nach Paris – nachdem Zoe mit dir gesprochen hat. Es war meine Frage wegen der Zigeuner, nicht wahr? Ich hätte gleich damals etwas sagen sollen. Ich war nur überrascht, als ich es erfahren habe – weiter nichts. Bitte, glaub mir, es hätte zwischen uns keine Rolle gespielt. Es hätte mir nichts ausgemacht – »
    «Was hätte dir, nichts ausgemacht?» explodierte ich zornig. «Du meinst, du hättest freundlicherweise weiterhin mit mir geschlafen, obwohl ich Zigeunerblut in den Adern habe! Großer Gott, was bist du für ein Mensch? Kannst du dir nicht vorstellen, wie mir bei dem Gedanken zumute ist, daß du derjenige warst, der Sam mit jener Autobombe in San Francisco töten wollte? Du hast versucht, ihn umzubringen, Wolfgang. Und die ganze Zeit hast du gewußt, daß Sam dein eigener Bruder ist!»
    «Nein, das ist er nicht!» schrie Wolfgang förmlich. Er war aschfahl im Gesicht geworden, und seine schmerzverzerrte Miene drückte alles aus, was er nicht ausgesprochen hatte.
    Olivier warf einen besorgten Blick durch das Fenster und wollte unser Gespräch schon beenden; aber ich winkte ab. Ich zitterte am ganzen Leib, weil mich etwas erschütterte, das ich nicht annähernd benennen konnte. Heiße Tränen stiegen mir in die Augen, während ich mich wieder Wolfgang zuwandte und tief Luft holte. Ich sagte so ruhig und entschieden, wie ich nur konnte, ohne den letzten Rest meiner Fassung zu verlieren:
    «Doch, Wolfgang. Er ist dein Bruder.»
    Dann stieg ich aus und schlug die Wagentür hinter mir zu.
    Dark Bear, der ein phantastisches Organisationstalent besaß, hätte in jedem Konzern ein
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