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nevermore

Titel: nevermore
Autoren: Heike
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pochen begann.
    Die Kutsche wiegte sich hin und her, während sie durch die engen Gassen zockelte, und bald wich der Schmerz in seinem Kopf einem seltsamen und doch vertrauten Kribbeln. Es durchdrang seine Sinne wie die leichten Nadelstiche eingeschlafener Gliedmaßen.
    Langsam ließ Edgar die Hand sinken.
    Er wandte seinen Blick den wabernden Schatten zu seiner Rechten zu.
    Sie saß neben ihm und ihre schlanke Gestalt war in leuchtend weißen, hauchdünnen Stoff gehüllt.
    »Nein«, murmelte er.
    Doch die alles verhüllende Schwärze hatte bereits begonnen, ihre gierigen Finger nach ihm auszustrecken.
    Sie umgab ihn wie ein Leichentuch, und als die marmorkalte Hand der Frau die seine ergriff, spürte Edgar, wie ihn die vollkommene Dunkelheit übermannte, so wie noch nie zuvor.
    In Sekundenschnelle verschlang ihn die Schwärze und ließ die Kutsche leer zurück.

 
     
Zugeteilt
     
    Am Ende der vierten Stunde war Isobels Koffeinkick von dem großen Milchkaffee heute Morgen schon lange verflogen. Sie gähnte, fast am Ende ihrer Energiereserven, und rutschte auf ihrem Stuhl herum, während Mr Swanson sein monotones Geleiere über das grünäugige Monster Desdemona fortsetzte und darob, ihro und fürwahr ... Wieder und wieder fuhr Isobel das gewundene, spiralförmige Muster nach, das sie fast schon in den blauen Deckel ihres Schreibblocks eingraviert hatte.
    »Und damit«, sagte Mr Swanson, klappte dabei seine extradicke Lehrerausgabe ihrer Schullektüre zu - und veranlasste somit den Rest der Klasse, es ihm mit einem einstimmigen Wumm gleichzutun -, »werden wir die Diskussion über Jago und seine angebliche Ehrlichkeit am Montag fortsetzen.«
    Isobel streckte sich auf ihrem Stuhl, warf ihre langen blonden Haare über die Schulter und schlug genüsslich ihr Buch zu.
    »Aber wartet noch, wartet noch«, sagte Mr Swanson über das Scharren und Kratzen der Stühle hinweg. Er hob beide Hände und senkte sie dann theatralisch, so als hätte diese Bewegung irgendwie die Macht, den Raum zur Ruhe zu bringen und die Benommenheit-durch-elisabethanische-Literatur wiederherzustellen, in die er sie alle versetzt hatte.
    Die Mädchen und Jungen, die heiß auf das Mittagessen und bereits halb von ihren Stühlen aufgestanden waren, sanken wieder zurück und ihre Pos vereinten sich mit den Sitzflächen wie zusammenschnappende Magnete. Ringsum glitten Rucksäcke von Schultern und Kinne kehrten auf Hände zurück.
    Sie hätten es wissen müssen, dachte Isobel. Swanson ließ sie nie früher gehen. Nie. Ganz besonders nicht schon um Viertel vor.
    »Nicht zappelig werden, Leute«, mahnte Swanson und fuchtelte mit einem Stapel herum, der Isobel verdächtig nach kopierfrischen Blättern aussah.
    »Aufgepasst! Das, was jetzt ausgeteilt wird, ist eine Ergänzung zum Lehrstoff«, rief er, befeuchtete einen Finger mit der Zunge und blätterte durch die ersten paar Seiten. Dann befeuchtete er seine Fingerspitzen erneut und schickte den nächsten Stapel los und den nächsten.
    Isobel wurde bleich, als sie sah, wie die Blätter den Weg zu ihr fanden, und hoffte, dass sie Glück hatte und eins erwischte, das relativ frei von Swanson-Spucke war.
    »Wir haben uns lange genug davor gedrückt.« Mr Swanson seufzte und tat zerknirscht. »Ich bin sicher, dass euch die Schüler aus der Oberstufe hiervor gewarnt haben. Nun, das ist es also. Am besten bringt ihr es so schnell wie möglich hinter euch. Ihr habt es erraten: das Swanson-Projekt.« Den letzten Teil verkündete er regelrecht fröhlich (er wirkte fast ein wenig wahnsinnig) und ein Grinsen breitete sich unter seinem drahtartigen grauweißen Schnauzbart aus.
    Gestöhne ertönte aus allen Ecken des Raumes, während Isobel ihr eigenes im Hals stecken blieb.
    Projekte brauchten Zeit. Viel Zeit.
    »Es ist ein Partnerprojekt«, fuhr Swanson fort. »Abgabe ist am letzten Freitag des Monats. Das ist Halloween, für diejenigen unter euch, die den Kalender ihres iPhones oder BlackBerrys oder Sidekicks oder was weißich nicht zur Hand haben - wobei ich für euch hoffe,, dass das nicht der Fall ist.«
    Die Langeweile, die noch vor einem Augenblick Isobels Glieder schwer und ihre Gedanken träge gemacht hatte, fiel mit einem schnellen Wusch von ihr ab, wie das Tuch bei einem Zaubertrick.
    Moment mal. Hatte er Halloween gesagt? Ähm, ja, wo war sein Kalender? Wusste (er nicht, das das der Abend des Footballspiels gegen Millings war? Hör auf, hinter dem Mond zu leben, Swanson. Sieh dich um,, damit du merkst, was
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