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Neugier ist ein schneller Tod - Neugier ist ein schneller Tod - A Mortal Curiosity

Titel: Neugier ist ein schneller Tod - Neugier ist ein schneller Tod - A Mortal Curiosity
Autoren: Ann Granger
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entlang ins Landesinnere. Überall ringsum bemerkten wir die Spuren kürzlicher Bauaktivitäten, eine Erweiterung der Docks und vor uns – das Meer! Oder zumindest jener tiefe Einschnitt, der Southampton Water genannt wurde. Eine steife Brise wehte uns in die Gesichter und brachte den Geruch von Salz mit sich. Über uns schwebten kreisende Möwen, bereit, sich in die Tiefe zu stürzen und jeden Krümel Nahrung zu erbeuten, der aus den Händen jener fiel, die am Kai warteten. Sonnenlicht glitzerte auf den tanzenden Wellen. Auf der anderen Seite des Einschnitts und in blauenDunst gehüllt erkannte ich eine von Bäumen gesäumte Küstenlinie und ein Gewirr von weiß gekalkten Gebäuden, mit großer Wahrscheinlichkeit die kleine Stadt Hythe. Ich war genauso aufgeregt wie eines der zahlreichen kleinen Kinder, die kreischend durch die Menge rannten und die verzweifelten Rufe ihrer Eltern ignorierten.
    Und was für eine bunt gewürfelte Menge das war, die uns umgab! Wollten etwa all diese Leute an Bord der Fähre gehen? Noah musste vor einem ganz ähnlichen Problem gestanden haben, als ein tobender Mob von Tieren an Bord seiner Arche gedrängt hatte. Es waren Landbewohner mit wettergegerbten Gesichtern, die Frauen mit Sonnenhauben aus Baumwolle, alle beladen mit Körben und Gepäck in der Form geheimnisvoller Kisten. Hunde aller Rassen (und Mischungen) haschten nach den Hacken der Kinder und bellten voll wilder Begeisterung angesichts der aufregenden Jagd. Hier und da standen vereinzelt ernst gekleidete, würdige Gestalten, darunter ein Geistlicher. Vervollständigt wurde die Mischung von Gepäckträgern, Matrosen von den Postschiffen, die in der Bucht ankerten, und Müßiggängern, die mit den Händen in den Taschen das Geschehen beobachteten. Einige gehörten zu jener zerlumpten Bevölkerungsschicht, die sämtliche stark bevölkerten Flecken aufsucht in der Hoffnung, von der Naivität der Fremden zu profitieren. Wir waren offensichtlich beide Stadtbewohner und Neuankömmlinge. Demzufolge zeigten bereits einige dieser Leute Interesse an uns.
    »Passen Sie auf Ihre Taschen auf, Sir!«, empfahl uns unser Kutscher, als Dr. Lefebre ihn bezahlte. »Dort ist die Fähre, direkt vor Ihnen, und dort ist Albert. Hey, holla!«, brüllte er unvermittelt. »Albert! Hier sind zwei Herrschaften für dich, die auf die Fähre möchten!«
    Ich war noch nie im Leben als »Herrschaft« bezeichnet worden, doch ich nahm an, Dr. Lefebres distinguiertes Erscheinungsbild und sein gebieterisches Verhalten waren der Grund.
    Eine schlaksige Gestalt näherte sich durch die Menge und entpuppte sich als ein junger Mann mit von der Sonne tief gebräuntem Gesicht. Er trug eine Schirmmütze im seemännischen Stil, dazu einen Strickpullover, dessen Ärmel ein gutes Stück zu kurz waren für seinesehnigen, gebräunten Unterarme, dazu stabile Baumwollhosen und Arbeitsstiefel. Sein charakteristischstes Merkmal war jedoch, dass er nur ein gutes Auge hatte. Das andere schien einen furchtbaren Unfall erlitten zu haben. Der Augapfel war von einem hellen, rauchigen Blau und rollte auf erschreckende Art und Weise nach oben in den Kopf, doch das verbliebene gesunde Auge blinzelte gut gelaunt.
    »Albert«, stellte unser Kutscher den Neuankömmling vor. »Er ist ein Besatzungsmitglied der Fähre. Ich lasse Sie bei ihm zurück. Eine gute Reise wünsche ich, Sir und Ma’am.« Mit diesen Worten stieg er wieder auf seinen Kutschbock, schnalzte mit der Zunge und zockelte davon.
    »Fahrscheine?«, erkundigte sich Albert, augenscheinlich ein Mann weniger Worte.
    »Wo kaufe ich Fahrscheine?«, erkundigte sich Dr. Lefebre.
    Albert deutete auf eine kleine Holzhütte mit einem Fenster darin, hinter dem eine stämmige weibliche Gestalt gegen Bezahlung Fahrscheine an eine wartende Menschenschlange ausgab.
    »Wenn Sie vielleicht hier warten wollen, Miss Martin …?«, begann Dr. Lefebre.
    »Nicht nötig!«, unterbrach ihn Albert. »Ich nehme die Koffer und bringe die Lady an Bord. Bitte folgen Sie mir, Ma’am.«
    Noch während er sprach, hatte er mit großer Effizienz unser Gepäck aufgesammelt und es irgendwie fertiggebracht, alles an seiner Person zu verstauen. Er setzte sich mit ausholenden Schritten in Bewegung, und ich hastete hinter ihm her.
    Wir erreichten den Landesteg. Am Seetang entlang der Mole konnte ich erkennen, dass Ebbe herrschte und der Wasserspiegel meterweit unter dem Hochwasserstand lag. Die Fähre schwamm mehrere Meter unter uns, mit Tauen vorn und
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