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Nette Nachbarn

Nette Nachbarn

Titel: Nette Nachbarn
Autoren: Marcia Muller
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hast du jetzt vor?«
    »Ich habe einem der anderen Discjockeys
versprochen, ein Band zu bearbeiten. Ich bin auf jeden Fall noch ein paar
Stunden hier.«
    »Okay. Ich ruf’ dich später an und
erzähle dir, was die Beamten gesagt haben.«
    »Tu das.«
    Ich nahm meine Tasche und meine Jacke,
gab Don einen flüchtigen Kuß und ging hinaus. Die Nacht war frisch, und die
Weihnachtsdekoration auf der Vordertür der Studios ließ mich — mit schlechtem
Gewissen — an meine noch immer nicht erledigten Weihnachtseinkäufe denken. Aber
wie konnte ich mir darüber Gedanken machen, solange Duc nicht daheim und der
Mörder entdeckt war? Ich konnte es nicht; so einfach war das.
    Ich fuhr die kurze Strecke nach Bernal
Heights, begriff dann, daß es ebenso einfach gewesen wäre, heimzufahren und von
dort aus anzurufen. Aber irgendwie war mein Haus in der Church Street — so
stolz ich auch darauf war — noch nicht mein Heim geworden; ich hatte noch nicht
lange genug dort gewohnt, um mich wirklich wohl zu fühlen. Und All Souls war
jahrelang mein Hafen gewesen, der Ort, an den ich mich immer geflüchtet hatte,
wenn die verwirrende und manchmal brutale Wirklichkeit, der ich mich bei meiner
Arbeit gegenübersah, mich fertigzumachen drohte. Selbst jetzt, so tot das Büro
schien, war es doch noch ein gutes Gefühl, dorthin zu fahren.
    Zu meiner Überraschung schimmerte
warmes Licht aus dem Erkerfenster des viktorianischen Gebäudes. Ich parkte
irgendwo und eilte die Stufen hinauf in die Eingangshalle. Ein Weihnachtsbaum
lag im Durchgang links, und auf dem Boden vor dem Fenster war ein Baumständer
zusammengesetzt worden. Ich schaute mich um, konnte aber niemanden entdecken.
    Ich fühlte mich ein wenig wohler, was
das Büro anging — schließlich hatte sich ja irgend jemand die Mühe gemacht,
diesen Baum zu kaufen — und ging in mein Zimmer, um die Mordkommission
anzurufen. Greg hatte dienstfrei. Ich versuchte es unter seiner Privatnummer,
und er antwortete nach dem ersten Klingeln.
    »Hör zu, Greg«, sagte ich. »Ich habe
eine Spur für dich. Ich war heute abend beim Funk — «
    »Ich weiß.« Seine Stimme klang grimmig.
    »Was?«
    »Ein Freund hat KSUN gehört. Er hat
mich angerufen und mir erzählt, daß die Lady, mit der ich einmal gegangen bin,
im Radio wäre. Natürlich habe ich eingeschaltet.«
    »Nun, dann weißt du ja von dem Anruf,
den ich bekommen habe — «
    »Sharon, warum mischst du dich in
meinen Fall ein?«
    »Ich habe mich nicht eingemischt. Ich
habe den Mord bloß erwähnt. Ich habe nur versucht, Aufmerksamkeit auf Duc Vangs
Verschwinden zu lenken — was alle anderen zu ignorieren scheinen.«
    »Wenn eine Vermißtenanzeige aufgegeben
wird und zweiundsiebzig Stunden vergangen sind, wird, er genug Aufmerksamkeit
bekommen.«
    »Greg, dieser Anruf — «
    »Dieser Anruf könnte von irgendeinem
der unzähligen Irren kommen, die Radio hören. Eine Sendung wie die zieht die
magisch an. Ich will nichts mehr davon hören.«
    »Greg — «
    »Und ich will auch nichts mehr von dir
hören. Was dich angeht, so ist der Fall abgeschlossen. Hast du verstanden?«
    Ich sagte nichts.
    »Hast du verstanden?«
    »Ja«, murrte ich.
    »Gut.« Er legte auf.
    Ich starrte wütend auf den Hörer, dann
knallte ich ihn auf die Gabel. Warum hatte ich bloß gedacht, daß Greg
vernünftig sein würde? Ich hatte eine perfekte Spur für ihn — wie schon so oft
in der Vergangenheit. Und er ignorierte sie — so, wie er die anderen Tips
ignoriert hatte, die ich ihm im Laufe der Jahre gegeben hatte. Und während er
sie ignorierte, konnte Duc in noch größerer Gefahr schweben als zuvor.
    Dank meines Einfalls. Vielleicht war
die Radiosendung doch keine so gute Idee gewesen.
    Ich schaltete das Licht aus und verließ
das Büro. Ich war gerade am Fuß der Treppe angekommen, die zu den Wohnungen
hinaufführte, als die Haustür aufflog. Gilbert Thayer stand dort, sein
Kaninchengesicht war rot und zuckte. Er sah sich wütend um, entdeckte mich und
brüllte: »Das ist eine Unverschämtheit!«
    Ich sah mich ebenfalls um, konnte aber
nichts sehen, das ihn so hätte aufregen können, außer dem Weihnachtsbaum.
»Warum? Wir haben alle gern einen Baum. Hank ist Jude, und er freut sich von
allen am meisten darüber — «
    »Wo ist er? Ich lasse mir das nicht
bieten!«
    Ich hörte Schritte auf der Treppe
hinter mir. Als ich mich umdrehte, sah ich Hank, der mit einer Schachtel mit
der Aufschrift weihnachtsschmuck herunterkam.
    »Ist was nicht in Ordnung,
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