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Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste

Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste

Titel: Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste
Autoren: Else Ury
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baden. 'Um Mitternacht?' höre ich Euch erstaunt fragen. Vater ist sicher nicht einverstanden damit. Mutti sogar empört, daß man die Kleinen aus nächtlichem Schlaf reißt. 'So erzieht man kein Kind zur Ordnung - ich habe euch drei doch ganz gut instand gehabt; das Alte ist immer noch das Beste.' Habe ich Deine Gedanken erraten, Mutti? Im übrigen bin ich ebenfalls Eurer Ansicht, daß man die Kleinen daran gewöhnen soll, die Nacht durchzuschlafen. Auch finde ich Tagesarbeit angenehmer als Nachtarbeit. Aber der Warmwasserverbrauch hier in dem großen Krankenhaus ist so ungeheuer, daß für unsere Säuglinge das Badewasser nachts entnommen werden muß. Den kleinen Herrschaften selbst ist das ganz gleichgültig. Ihr solltet sehen, wie putzig sie sich an meinen Arm anklammern, wie behaglich sie sich dann in dem warmen Bad strecken und wie munter sie strampeln. Da quarrt schon wieder eins. Natürlich fällt der Chor pflichtschuldigst ein. Das wird immer gleich epidemisch. Auf ein anderes Mal, meine Lieben.« Frau Annemarie ließ das Blatt sinken. Da lebte die Vronli nun in der Stadt der Kunst und kam kaum mal heraus aus ihren Mauern. Frau Annemarie seufzte schwer. »Nanu, Herzle, plagst du dich mit den Rechnungen herum? Schau, laß das Zeug bis zum Abend, da machen wir es gemeinsam. Am Verhungern sind wir ja noch nicht.« Der Professor war aufmerksam geworden.
    »Ach, Rudi, deine faule Frau muß sich schämen. Nichts, gar nichts habe ich geschafft, als nur Vronlis Brief zum xten Male studiert. Ich bin gar nicht recht befriedigt davon -« »Die Hauptsache, daß sie selbst es ist. Mit deinem Grübeln und Sorgen schaffst du nix, Herzle. Kleine Kinder, kleine Sorgen - große Kinder, große Sorgen. Das ist nicht anders. Aber ich mein', unser Trio ist noch ganz gut geraten, wir können zufrieden sein, gelt? Nur unseren Herrn Sohn muß ich mir mal langen, der ist mir mit seinem Zeugnis, scheint's, durchgegangen. Und was die Ursel dahergeredet hat, daß der Junge nimmer Medizin studieren mag, wird wohl nicht so arg ernst zu nehmen sein. Die Zeit ist noch nicht gar so lang vorbei, als er Droschkenkutscher oder Konditor werden wollte. Kinderei, gerad' wie bei der Ursel. Aber nun mach mir ein anderes Gesicht, Herzle. Ich will eine frohe Miene von dir in die Sprechstunde 'neinnehmen, nicht solche essigsaure, wie ich sie gar nimmer von dir gewöhnt bin.«
    So war es immer gewesen, in all den Jahren ihrer Ehe. Einer verstand es stets, dem anderen die Sorgen zu verscheuchen. Jeder nahm sich zusammen, um dem anderen ein heiteres Gesicht zu zeigen. Annemarie schüttelte den Druck, der ihre Frohnatur nur selten mal beschwerte, ab.
    »Hast recht, Rudi, man muß die Küken ihren Weg gehen lassen, wenn sie erst mal flügge geworden sind. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als zu hoffen, daß er zu ihrem Glück führen möge. So - nun ist es Zeit, mich zu verabschieden. Es hat schon verschiedene Male geklingelt. Sonst zieht sich die Sprechstunde wieder bis zum Abendbrot hin. Den Kaffee schicke ich dir gleich rein, Rudi.« Sie nickte ihrem Mann noch einmal liebevoll zu und verließ das Zimmer.
    Hansi kam pfeifend die Treppe herunter, die zu den im oberen Stockwerk gelegenen Zimmern führte.
    »Hör mal, mein Junge, es wird allmählich Zeit, daß ich endlich dein Zeugnis zu sehen bekomme«, erinnerte ihn die Mutter.
    »Mußt dich noch ein wenig gedulden, Mutterherz. Eine elektrische Sicherung ist durchgebrannt. Die muß ich erst in Ordnung bringen.« Hans war Handwerker für alles. Mit allen Nöten wandte man sich an ihn. Er hatte eine geschickte Hand, die notwendige Ruhe zu allem und bastelte gern.
    Aber dann beim Kaffee, den Mutter und Sohn in traulichem Beieinander einnahmen - Ursel, der Trotzkopf, hatte nicht zu erscheinen geruht - da half es dem Hans nichts mehr. Das Zeugnis mußte herbei.
    Es entsprach durchaus Frau Annemaries Erwartungen. Oder vielmehr, es war noch schlechter.
    »Ja, aber Junge, das ist ja ein Schundzeugnis! Wie wird sich der Vater darüber ärgern.« Daß sie selbst aufgebracht darüber war, kam erst in zweiter Linie. »Du kannst, wenn du willst. Es ist nur Trägheit bei dir und Gleichgültigkeit. Nichts als Flausen hast du im Kopf. Keinen Ernst - kein Streben -« Frau Annemarie war noch genau so impulsiv wie dereinst. Um so ruhiger blieb der Filius. »Liegt an der Schule, nicht an mir. Der Kram interessiert mich nicht. Nehmt mich doch raus. Im Leben werde ich schon was Tüchtiges leisten«, meinte er mit
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