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Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste

Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste

Titel: Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste
Autoren: Else Ury
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schmecken ließ. »Ich erinnere mich nicht mehr genau - es wird wohl 'genügend' gewesen sein. Hauptsache, man ist mit durchgerutscht.«
    »Das ist noch ein recht unreifer Standpunkt, Hansi. Die Hauptsache bleibt halt immer, man leistet etwas Tüchtiges, in der Schule sowohl wie im Leben. Der Vergleich mit den anderen kommt erst in zweiter Linie.« Wie Professor Hartenstein an sich selbst die höchsten Ansprüche in bezug auf Pflichterfüllung stellte, so verlangte er das auch von seiner Familie.
    »Unser Kleines hat ein überraschend gutes Abgangszeugnis heimgebracht, Rudi.«, lenkte Frau Annemarie, die stets überall auszugleichen bestrebt war, von dem heiklen Thema, das ja bis nach Tisch Zeit hatte, ab.
    »Das Ursele - der Tausend. Laß schauen, Kind.« Ursel war von jeher der erklärte Liebling des Vaters.
    »Vaterle, ich hab' die Gesangsauszeichnung bekommen, und nun mußt du mir auch etwas versprechen, - auch eine Belohnung, ja? Tust du es?« Schmeichelnd bestürmte das junge Mädchen den Vater, ihm das Abgangszeugnis überreichend. »Nun, auf eine Konzert- oder Theaterkarte soll mir's nicht ankommen, Kleines.« Lächelnd blickte der Professor auf sein Töchterchen. »Schau - schau - in Mathematik 'gut'. Und da behauptete die Krabbe, nimmer rechnen zu können. Dein künftiger Bankchef wird es dir halt beibringen.«
    »Das wird mir kein Mensch beibringen«, widersprach Ursel erregt. »Und zur Bank gehe ich überhaupt nicht. Ich hab' die Gesangsauszeichnung bekommen, und ich will zur Oper!« »Hahaha« - der Vater und Hansi lachten um die Wette. »Hahaha« - wenn der eine aufhörte, fing der andere an. »Also Opernsängerin willst du werden, Kleines?« Ursel mußte es sich gefallen lassen, weidlich ausgelacht zu werden.
    Sie ballte die Hände vor Zorn. »Lacht nur, ihr werdet es ja sehen, daß es mir Ernst damit ist. Ich eigne mich nicht dazu, ins Büro zu gehen. Mutti, hilf du mir doch. Du weißt es ja am besten, wie gräßlich mir solche trockene, kaufmännische Tätigkeit sein würde, daß ich nur glücklich werden kann, wenn ich mich meiner geliebten Musik widmen darf.« Ein Tränenausbruch erfolgte.
    Annemarie zog ihr erregtes Nesthäkchen liebevoll schützend zu sich heran. »Vor allem werde mal ruhiger, Kind. Mit deiner Heftigkeit richtest du gar nichts aus. Der Vater wird mit sich reden lassen.« Bittend blickte sie zu ihrem Mann hinüber.
    Selten hatte Annemaries Blick, wenn er sich bittend an Rudi wandte, in all ihren Ehejahren seinen Zweck verfehlt. Nur schwer konnte er ihm widerstehen. Aber heute schüttelte er unzufrieden den Kopf.
    »Ich verstehe dich gar nicht, Annemarie. Zur Diva haben wir unser Kind doch wahrlich nicht erzogen. Unerhört, daß solche Wünsche überhaupt in unser solides Bürgerhaus kommen können. Aber das liegt halt daran, daß man dem Mädel viel zuviel Willen bisher gelassen hat, daß wir es arg verzogen haben.«
    »Ja, was kann denn ich dafür, wenn ihr mich verzogen habt?« begehrte Ursel, die selten ein strafendes Wort von den Eltern zu hören bekam, auf. »Du selbst hast neulich gesagt, Vater, als du mich in den Freischütz mitgenommen hast, eine Gnade wär's, wenn einem der Himmel eine solche Stimme geschenkt hätte. Und jetzt sperrst du dich dagegen. Ich könnte die Rolle der Ännchen gerade so gut singen.«
    »An allzu großer Bescheidenheit leidest grad' nicht, Ursel.« Es zuckte schon wieder belustigt um des Vaters Mundwinkel. Sein Unmut war bezwungen; er sprach jetzt in dem sachlich ruhigen Tone, den man an ihm gewöhnt war. »Ursel, du weißt doch, daß der Vater stets dein Bestes will, gelt? Du hast ja eine recht hübsche Stimme, freilich, wir freuen uns ja alle daran. Aber so einfach, wie du dir das vorstellst, ist der Weg einer Sängerin nicht. Mit einer guten Stimme ist es nicht getan. Kein Beruf bringt mehr Enttäuschungen mit sich, als der einer Künstlerin.«
    »Der Vronli habt ihr's doch auch erlaubt, daß sie nach München an das Schwabinger Krankenhaus als Säuglingsschwester hat gehen dürfen. Obwohl der Vater auch zuerst nicht dafür war. Und der Hansi will auch kein Arzt werden, wie der Vater es wünscht. Na ja.« Ursel kam einen Augenblick aus dem Text, denn Hans hatte ihr nachdrücklich auf den Fuß getreten. Aber sie fuhr sogleich in ihrem Empörungsausbruch fort: »Und ich lebe doch mein Leben und nicht das meiner Eltern. Ich bin ein moderner Mensch mit modernen Anschauungen!«
    »Ein ganz unreifes Mädchen bist du, das uns durch sein ungehöriges
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