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Nesbø, Jo - Harry Hole - 02

Nesbø, Jo - Harry Hole - 02

Titel: Nesbø, Jo - Harry Hole - 02
Autoren: Kakerlaken
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Anwärterkurs für das Auswärtige Amt, war er m it seinem breiten Østerdalsdia lekt und seiner ländlichen Art bei den Großsta dtyuppies oft angeeckt. Die anderen Anwärter ware n Politologen, Wirtschaftswissenschaft-ler und Juristen, deren E ltern Akademiker oder Politiker wa ren, wenn sie nicht selbst zum ministeriellen Adel des Auswärtigen Amtes gehörten, in den ihre Nachkömm linge nun aufsteigen wollten. Er war ein Bauernsohn mit einem Examen der land-wirtschaftlichen Hochschule in As. Nicht dass ihm das selbst so 11

    viel bedeutete, aber er wusste, dass die richtigen Freunde für die weitere Karriere von großer Bedeutung waren. W ährend sich Dagfinn Torhus die gesellscha ftlichen Gepflogenheiten einhämmerte, versuchte er, seine Defizite durch um so härtere
    Arbeit zu kom pensieren. Abgesehen von der ungleichen Ausgangsposition war ihnen allen gem ein, dass sie nur eine unklare Vorstellung davon hatten, was sie vom Leben wollten.
    Das Einzige, was sie wussten, war, in welche Richtung es gehen sollte: aufwärts.

    Torhus seufzte und nickte dem Securitas-Wachmann zu, der ihm die Zeitung und einen Um schlag durch die Luke in seinem Glaskasten schob.
    »Sonst schon jemand …?«
    Der Wachmann schüttelte den Kopf.
    »Wie immer der Erste, Torhus. Der Um schlag ist vom Nachrichtendienst, er wurde heute Nacht geliefert.«
    Torhus sah die Ziffern der Et agen aufleuchten und wieder verlöschen, während ihn der Fahr stuhl nach oben beförderte.
    Irgendwie kam es ihm so vor, al s spiegele jede Etage eine Periode seiner Karriere wider, die deshalb jeden Morgen aufs Neue Revue passierte.
    Die erste Etage symbolisierte seine ersten beid en Jahre als Anwärter, die langen, unverb indlichen Diskussionen über Politik und Geschichte und die Französischstunden, durch die er sich gequält hatte.
    In der zweiten Etage war das Planungs- und Beorderungsbüro.
    Er hatte zw ei Jahre Canberra bekommen und dann drei Jahre Mexico City. So weit ganz anstän dige Städte, er durfte sich nicht beklagen. Obgleich er London und New York als erste Wahl angegeben hatte, doch
    das waren prestigeträchtige
    Zentren, in die alle wollten, so da ss er sich entschlossen hatte, den abschlägigen Bescheid nicht als Niederlage zu werten.

    12

    In der dritten Etage war er zurück in Norwe gen, ohne die
    luxuriösen Auslands- und Wohngeldzulagen, die ihm Raum gelassen hatten für ein Leben in nüchternem Überfluss. Er hatte Berit getroffen, sie war schwa nger geworden, und als die Zeit für einen neuerlichen Auslands aufenthalt gekommen war, war bereits Kind Numm er zwei unterwegs. Berit stamm te aus der gleichen Gegend wie er selbst und telefonierte jeden Tag m it ihrer Mutter. Er hatte s ich entschlossen, ein wenig zu warten, und hatte stattdessen wie ein W ahnsinniger gearbeitet, kilome-terlange Abhandlungen über den bilateralen Handel m it
    Entwicklungsländern geschrieben, Reden für den Außenminister verfasst und von den oberen Et agen Anerkennung eingeheimst.
    An keinem anderen Ort des St aatsapparates ist die Konkurrenz so stark wie im Auswärtigen Amt m it seinen ausgeprägten Hierarchien. Dagfinn Torhus war jeden Tag zum Dienst erschie-nen wie ein Soldat an der Fron t, er hatte den Kopf eingezogen, sich den Rücken frei gehalten und losgefeuert, wenn er jem anden vor den Lauf beka m. Das trug ihm das eine oder andere Schulterklopfen ein, er wusste, dass er »bemerkt« worden war, und versuchte Berit zu erklären, d ass er nun v ermutlich Paris oder London bekomme n konnte, doch da hatte sie sich zum ersten Mal in ihrer b isher recht und ramatischen Ehe zur Wehr gesetzt. Er hatte nachgegeben.
    So war er in die vierte E tage aufgestiegen und damit zu weiteren Untersuchungsberichten, einer Sekretärin und einem etwas höheren Gehalt, bis man ihn dann vor kurzem in die Personalabteilung in der zweiten Etage versetzt hatte.
    Einen Job in der Personalabteilung zu bekom men, war im
    Auswärtigen Amt etwas Besonderes, für gewöhnlich ein Zeichen, dass einem der Weg nach oben offenstand. Aber es war etwas geschehen. Ge meinsam mit dem Planungs- und Beorderungsbüro wählten sie die Bewerb er für die jeweiligen Aus-landsaufträge aus, eine Arbeit, die direkte Auswirkungen auf die Karriere anderer hatte. Vielleicht hatte er seinen Namen unter 13

    eine falsche Beorderung gesetzt oder eine Person abgelehnt, die es trotzdem geschafft hatte und jetzt irgendwie über ihm saß und an den unsichtbaren Fäden zog, die das Leben von Dagfinn Torhus
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