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Neptuns Tochter (Gesamtausgabe)

Neptuns Tochter (Gesamtausgabe)

Titel: Neptuns Tochter (Gesamtausgabe)
Autoren: Terry Waiden
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gehe davon aus, dass Sie das nicht ausnutzen werden.«
    Bestimmt hatte Timea Illay ihre Großmutter hierzu aufgefordert. Sieh zu, dass diese Person nicht herumschnüffelt. So oder so ähnlich hatte sie sich wahrscheinlich ausgedrückt, war sich Mika sicher. Womöglich gab es doch ein paar Leichen hier.
    Mika sah, dass ihre Chefin auf eine Reaktion wartete. »Keine Sorge«, meinte sie doch ein wenig beleidigt, »die heimliche Besichtigungstour hebe ich mir auf, bis Sie unachtsam werden, weil Sie mir vertrauen.« Das blind schluckte Mika noch rechtzeitig herunter.
    Und wieder ließ sich Frau Illay nicht aus der Ruhe bringen. Sie behielt das leichte Lächeln bei, ohne ihre Gedanken preiszugeben.
    Nachdem endlich alles geklärt war, fing Frau Illay an zu erzählen. Mika war beeindruckt, an was sich die alte Dame alles erinnern konnte. Sie selbst vergaß meistens schon, ihre Eltern an deren Geburtstagen anzurufen. Es war auch gar nicht langweilig, denn Mikas Arbeitgeberin hatte eine amüsante Art, ihr Leben Revue passieren zu lassen. Die Zeit verging wie im Flug.
    »So, Frau David«, sagte Frau Illay, als Mika um kurz vor fünf Uhr den Laptop ausschaltete. »Sie haben heute einiges von mir erfahren. Es wäre nett, wenn Sie mir auch etwas von sich erzählten.«
    Vor Schreck fiel Mika die Kinnlade herunter. Das hatten sie nicht vereinbart. Mika zitterte. »Mein Leben ist nicht so spannend«, murmelte sie.
    »Das zu beurteilen, können Sie getrost mir überlassen«, erwiderte Frau Illay. »Ich erfahre gern aus den Leben der jungen Leute. Meine Enkelin ist diesbezüglich leider sehr zurückhaltend.«
    Mika biss sich auf die Zunge, um Frau Illay nicht zu sagen, was ihre Enkelin sonst noch alles war.
    »Sie mögen sie nicht«, stellte die Großmutter fest.
    »Ach …«, sagte Mika gedehnt, um Zeit zu gewinnen. »Sie mag mich nicht. Das trifft es eher«, meinte sie.
    »Sie hat gute Gründe für ihre Vorbehalte gegenüber fremden Menschen, Frau David«, sagte Frau Illay ruhig. »Das geht nicht gegen Sie persönlich.«
    Mika verzog das Gesicht. Wenn die Großmutter wüsste. Beim ersten Tagesbericht nachher würde Mika bestimmt merken, wie sehr es gegen sie persönlich ging.
    »Also«, blieb Frau Illay hartnäckig. »so ein klein wenig können Sie mir ruhig verraten. Zum Beispiel würde ich gern etwas über Ihre Familie erfahren.«
    »Wozu?«, fragte Mika.
    »Seit ich mich entschlossen habe, meine Lebensgeschichte aufzuschreiben, interessieren mich auch die Geschichten anderer viel mehr als früher«, erklärte Frau Illay. »Können Sie das verstehen?«
    Mika wollte den Schreibtischstuhl gerade hinstellen. Es gab einen Knall, weil sie ihn zu stürmisch an den Tisch schob. »Entschuldigung«, sagte sie schnell. »Ich würde lieber nicht über mich sprechen, Frau Illay.« Sie schloss kurz die Augen, bevor sich wieder ein Schmunzeln in ihr Gesicht schlich. »Ich kann Ihnen aber versprechen, dass etwaige Verbindungen zu kriminellen Kreisen nur Gerüchte sind.« Damit hatte Mika klargemacht, dass sie die Unterstellungen der Enkelin sehr wohl zur Kenntnis genommen hatte.
    Was auch immer Frau Illay dazu sagen wollte war hinfällig, weil in diesem Augenblick Timea Illay den Raum betrat. »Gut«, sagte sie, »wie ich sehe, seid ihr fertig.«
    Mika fragte sich, ob diese Frau auch einmal freundlich gucken konnte. Nicht so verbiestert.
    Timea Illay ging zu ihrer Großmutter, beugte sich hinunter, begrüßte sie leise und gab ihr einen leichten Kuss auf die Wange.
    Wie versteinert starrte Mika auf diese Szene. Diese Gesten – sie wirkten so sanft, so liebevoll. Mika spürte ihr Herz aufgehen. Ganz weit, als würde sich der Vorhang vor einer unendlich großen Blumenwiese lüften und den Frühling einlassen. Diese weiche Timea Illay brachte Mika völlig aus dem Konzept. Das konnte unmöglich dieselbe Frau sein, die sie bisher kennengelernt hatte.
    Im Aufrichten nahm das Gesicht der Enkelin wieder den gewohnt distanzierten Ausdruck an. »Sie können gleich mit mir mitkommen, Frau David«, sagte sie im Befehlston.
    Mika atmete auf. Ihr Bild von Timea Illay war wieder geradegerückt. Damit konnte sie wesentlich besser umgehen. Sie verabschiedete sich von ihrer Chefin und folgte Timea Illay in deren Büro.
    Dort deutete Timea Illay auf einen Stuhl vor dem Schreibtisch und forderte Mika auf, Platz zu nehmen. Der Stuhl war so weich, dass Mika beinah darin versank.
    Die Arme vor der Brust verschränkt, lehnte sich Timea Illay vor Mika an die Kante
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