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Neobooks - Dreck muss weg!

Neobooks - Dreck muss weg!

Titel: Neobooks - Dreck muss weg!
Autoren: Alexandra Richter , Alexandra Richter
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Überschaubarkeit.« Frau Lorei bot Marga einen Platz am Esstisch an. Das Esszimmer ging nahtlos in einen gefliesten Wintergarten über, in dem eine Frau auf dem Sofa saß und strickte. Eine andere im Rollstuhl war geparkt mit Blick ins Grüne. Außer einem Schluckauf zeigte sie keinerlei Regung. Im Radio dudelte Plüschmusik. Frau Lorei schloss die gläserne Schiebetür zwischen Esszimmer und Wintergarten. Musik und Schluckauf waren nur noch gedämpft zu hören. Sie bot Marga Kaffee an, Marga lehnte ab. »Und trotzdem ist Frau Neehuis einfach verschwunden.«
    »Ich habe mich die ganze Nacht gefragt, wie das passieren konnte.« Die Schatten unter Frau Loreis Augen waren nicht zu übersehen, und dicke Tropfen rollten ihre Wangen hinab. Sie sah vergrämt aus. Marga ließ ihr Zeit, sich zu schneuzen. Anschließend wischte sich Annette Lorei die Tränen mit dem zerknüllten Tempo vom Kinn, die nassen Stellen auf der Tischplatte übersah sie.
    »Wann haben Sie bemerkt, dass Frau Neehuis nicht mehr da war?«
    »Nach dem Mittagessen. Ich hatte gerade die Küche aufgeräumt und die Tee-Tabletts vorbereitet.« Sie presste sich die Faust vor den Mund, schien untröstlich.
    »Sie betreuen die Frauen allein?«
    »Unsere Mitbewohnerinnen«, verbesserte Frau Lorei. »Wir leben mit den Damen zusammen wie eine große Familie.«
    »Wer sind ›wir‹?«
    »Mein Mann und ich. Es ist wichtig, für ein gutes Klima zu sorgen.« Frau Lorei klang, als würde sie Phrasen aus einer Hochglanzbroschüre vortragen. Eine glückliche Herde, und doch war eines der Schäfchen abhandengekommen.
    »Sie und Ihr Mann pflegen die Damen?« Marga versuchte es noch mal.
    »Mein Mann hilft nur am Wochenende und abends. Unter der Woche arbeitet er für die Gemeinde.«
    »Bestimmt sehr stressig, so eine Doppelbelastung. Und wann haben Sie mal frei?«
    »In Absprache mit unseren Aushilfen.« Frau Lorei riss kleine Fetzen vom Papiertaschentuch und rollte sie zwischen den Fingern. Als sie bemerkte, dass Marga ihr zusah, hörte sie auf.
    »Gestern, als Frau Neehuis verschwunden ist, waren aber nur Sie und Ihr Mann im Haus?«
    »Und die übrigen Bewohnerinnen.«
    Marga nickte und bat Frau Lorei, ihr das Zimmer von Theda Neehuis zu zeigen. Der kleine Raum ähnelte dem Zimmer eines x-beliebigen Krankenhauses. Ein Bett, ein Tisch, ein Schrank. Von wegen Bewohnerin. Der einzige Farbklecks war das grünstichige Bild eines betenden Mädchens an der Wand. Marga warf einen Blick in den Kleiderschrank. Nur Wäsche, fein säuberlich gestapelt, ein paar Blusen, eine beige Sommerjacke. »Keine persönlichen Sachen von Frau Neehuis?«
    »Wir haben alles eingepackt. Frau Neehuis war durch ihre Demenz sehr unruhig. Wir hielten es für besser, ihr Umfeld so neutral wie möglich zu gestalten.«
    Marga hob die Brauen, und Frau Lorei erklärte. »Wenn man nur noch in der Vergangenheit lebt und selbst da alles durcheinanderwirft, dann ist persönlicher Besitz manchmal weder hilfreich noch sinnvoll.«
    »Haben vertraute Sachen denn keine beruhigende Wirkung auf Demenzkranke?«
    »Kommt ganz darauf an, welche Erinnerungen der Kranke mit ihnen verknüpft. Sie können sicher sein, dass wir für Frau Neehuis nur das Beste wollten.«
    Marga verließ den Raum. Nur das Beste. Aber irgendwer hatte der alten Frau das Maul gestopft. Aus dem Zimmer gleich nebenan erklang ein schwaches Husten, und Frau Lorei entschuldigte sich. Die halbgeöffnete Tür ließ Marga den merkwürdig kleinen Schädel einer alten Frau erkennen, die tief ins Kissen gesunken dalag. Annette Lorei arbeitete zügig. Mit ein paar Handgriffen fuhr sie das Kopfende des Bettes hoch, so dass ihr Schützling mehr ins Sitzen kam, beugte den schmächtigen Oberkörper der Pflegebedürftigen vor, schüttelte ihr das Kissen auf und lehnte sie zurück. Der Unterkiefer der Alten klappte auf und wieder zu, aber sie gab keinen Laut von sich. Und die Lorei auch nicht. Aus den geballten Fäusten der alten Frau ragte weißer Verbandsstoff.
    »Was hält sie in ihren Händen?«, fragte Marga, als Frau Lorei wieder auf den Flur getreten war.
    »Das? Eine einfache Pflegemaßnahme. Wegen der Spasmen legen wir gerollte Mullbinden in die Hände. Die Faust würde sich sonst komplett schließen und nur mit langwieriger Gymnastik wieder zu öffnen sein. Die Binden sind effektiv und sauber.«
    »Aha.« Es sah aber komisch aus. Sauber und schnell. Damit konnte man bei Frau Lorei anscheinend punkten.
    Sie gingen den Flur hinunter.
    »Wir gehen davon aus,
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