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Nelson DeMille

Nelson DeMille

Titel: Nelson DeMille
Autoren: Das Vermächtnis
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nicht verzeihen konnten.
    Susan.
    Doch ab und zu springen wir über unseren Schatten und vergeben - es kostet auch nichts, abgesehen davon, dass wir ein bisschen vom hohen Ross heruntermüssen. Und vielleicht war das der Haken.
    Ich saß auf der Steuerbordseite der Businessklasse, und alle hatten den Kopf dem Fenster zugewandt und den Blick auf die Skyline von Manhattan gerichtet. Aus tausend oder zwölfhundert Metern Höhe war es ein wahrhaft beeindruckender Anblick, aber seit etwa neun Monaten schien der fehlende Teil der Skyline die Hauptattraktion für die Leute zu sein, die die Stadt kannten. Als ich das letzte Mal nach New York geflogen war, ein paar Wochen nach dem 11. September 2001, stieg noch Rauch aus den Trümmern auf. Diesmal wollte ich nicht hinschauen, aber der Mann neben mir sagte: »Dort waren die Türme. Links da drüben.« Er deutete an meinem Gesicht vorbei. »Dort.«
    »Ich weiß«, erwiderte ich und griff nach einer Zeitschrift. Von den Menschen, die ich noch in New York kannte, haben mir die meisten erzählt, dass der 11. September sie dazu bewogen habe, ihr Leben zu überdenken und ein paar Sachen ins richtige Licht zu rücken. Das ist ein gutes Vorhaben für die Zukunft, aber es ändert nichts an der Vergangenheit.
    Die Maschine der British Airways schwebte zur Landung auf dem Kennedy Airport ein, und ein paar Minuten später setzten wir auf.
    »Schön, wieder daheim zu sein«, sagte der Mann neben mir. »Ist das auch Ihr Zuhause?«
    »Nein.«
    Bald würde ich mit einem Mietwagen auf dem Weg zu dem Ort sein, den ich einst als mein Zuhause bezeichnet hatte, der aber heute in meinem Bewusstsein teilweise erodiert war, sodass zu viele gute Erinnerungen verschüttet waren und die harten, schartigen Kanten der erwähnten Enttäuschungen, Verbitterungen und Treuebrüche obenauflagen.
    Die Maschine bremste ab und rollte dann über das Vorfeld zum Terminal.
    Jetzt, da ich hier war und bis zur Beerdigung bleiben würde, sollte ich vielleicht die Zeit nutzen und die Vergangenheit mit der Gegenwart versöhnen - dann würde ich auf dem Rückflug vielleicht bessere Träume haben.
    ERSTER TEIL
    So regen wir die Ruder, stemmen uns gegen den Strom -und treiben doch stetig zurück, dem Vergangenen zu.
    F. Scott Fitzgerald Der große Gatsby
    1
    Eine Woche war seit meiner Rückkehr aus London vergangen, und ich saß am Tisch im Esszimmer des kleinen Pförtnerhauses von Stanhope Hall, dem Anwesen meiner Exfrau, und wühlte mich durch alte Alben, Familienfotos und Briefe, die ich in den letzten zehn Jahren hier aufbewahrt hatte.
    Nach meiner Scheidung von Susan hatte ich mir einen Traum erfüllt und mit meinem Segelboot, einer vierzehn Meter langen Morgan-Ketch namens Paumanok II, einen dreijährigen Segeltörn rund um die Welt unternommen. Paumanok ist die Bezeichnung der einheimischen Indianer für Long Island, und mein illustrer Vorfahr Walt Whitman, ein gebürtiger Long Islander, benutzte dieses Wort in seiner Lyrik -
    und wenn Onkel Walt eine vierzehn Meter lange Yacht besessen hätte, hätte er sie mit Sicherheit Paumanok getauft, nicht Ich höre Amerika singen, was zu lang für den Heckspiegel ist, oder Grashalme, was nicht seetüchtig klingt.
    Mein letzter Anlaufhafen war Bournemouth, England, gewesen, von wo aus meine anderen Vorfahren, die Sutters, vor drei Jahrhunderten nach Amerika losgesegelt waren. Da der Winter nahte, mir die Seemüdigkeit in den Knochen steckte, mein Bankguthaben schrumpfte und meine Reiselust befriedigt war, verkaufte ich das Boot für etwa die Hälfte dessen, was es wert war, zog nach London, um mir einen Job zu suchen, und heuerte schließlich bei einer britischen Anwaltskanzlei an, die einen amerikanischen Steueranwalt brauchte, was ich in New York gewesen war, bevor ich Kapitän der Paumanok II w urde.
    Ich breitete ein paar Fotos von Susan auf dem Tisch aus und schaute sie mir im Licht des Kronleuchters an. Susan war früher und vermutlich noch immer eine wunderschöne Frau mit langen roten Haaren, atemberaubenden grünen Augen, einem Schmollmund und dem perfekten Körper einer passionierten Reiterin.
    Ich nahm ein Foto, auf dem Susan auf meinem ersten Segelboot zu sehen war, der ursprünglichen Paumanok, einer neun Meter langen Morgan, die ich geliebt, aber im Hafen von Oyster Bay versenkt habe, statt sie von der Regierung wegen Steuerschulden beschlagnahmen zu lassen. Das Foto wurde, glaube ich, im Sommer 1990 irgendwo im Long Island Sound aufgenommen. Es war an einem
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