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Nelson, das Weihnachtskaetzchen

Nelson, das Weihnachtskaetzchen

Titel: Nelson, das Weihnachtskaetzchen
Autoren: Hannes Steinbach
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Es wirkte, als wäre alles eingefroren. Nur hinter den Fenstern der Wohnungen flackerten kleine Lichter, und hie und da zog Bratenduft aus einem Fensterspalt heraus. Auf den Balkonen und in den Vorgärten standen schneebedeckte Tannen, die mit Lichterketten geschmückt waren.
    An einer Straßenkreuzung bemerkte Arthur eine eingezäunte Fläche, auf der Nordmanntannen verkauft wurden. Ein paar späte Kunden tauchten auf und kauften in allerletzter Minute noch einen Weihnachtsbaum. Arthur hatte seit dem Tod von Sophie keinen mehr aufgestellt. Doch jetzt, wo er den Verkaufsstand sah, überlegte er kurz, ob er nicht vielleicht doch einen Baum kaufen sollte. Schmuck gäbe es im Keller noch genug.
    Aber was dann?, fragte er sich. Er würde allein davorsitzen und sich noch elender fühlen als ohnehin schon. Besser, er ließ es bleiben.
    Arthur spazierte weiter. Vor dem Rathaus Schöneberg traf er auf eine Traube dick vermummter Menschen, die sich an der steinernen Freitreppe versammelt hatten und dort in der Kälte ausharrten. Arthur trat interessiert näher. Eine Bläsergruppe tauchte auf und stellte sich in Reih und Glied zwischen die steinernen Säulen am Eingangsportal. Sie bauten Notenständer auf und begannen zu spielen: »Macht hoch die Tür, die Tor macht weit.« Der Klang der Blasinstrumente drang tief in Arthurs Herz. Er spürte die Einsamkeit. Ein weiteres Weihnachtsfest, das er alleine verbringen musste. Dabei hatte er bereits geglaubt, in diesem Jahr würde alles anders sein. Wenigstens mit Nelson, hatte er gedacht, würde er zusammen sein.
    Bei seinem Abschied von Murat erst hatte er es zugeben können: Nelson fehlte ihm. Der Kater war das erste Wesen, das er nach dem Tod von Sophie wieder in sein Leben gelassen hatte. Er hatte ihm Zugang zu seinem Herzen gewährt. Und kurz darauf hatte sich alles geändert: Er hatte Freundschaft mit Murat geschlossen, und Liselotte hatte sich innerhalb kürzester Zeit einen ganz besonderen Platz in seinem Herzen erobert. Und schließlich war er zu Anna gegangen, um sie um Vergebung zu bitten. Das alles nur wegen eines kleinen Katers. Ja, er fehlte ihm.
    Als Nelson wieder aus seinem Leben gerissen wurde – ausgerechnet von seiner Tochter –, da hatte Arthur alle Türen wieder zugeschlagen. Er hatte all die Menschen wieder aus seinem Leben vertrieben, denen er zuvor zaghaft Zugang gewährt hatte. Und jetzt war er wieder allein.
    Eine Weile lauschte er noch den Bläsern, dann wandte er sich ab und kehrte nach Hause zurück. Die einsame Wohnung empfing ihn. Am liebsten hätte Arthur sich zurückgezogen und im Stillen seine Wunden geleckt. Doch er musste sich zusammenreißen. Wenigstens in den Weihnachtsgottesdienst wollte er heute noch gehen. Früher waren er und Sophie jedes Jahr gemeinsam in die Kirche gegangen. Seit ihrem Tod hatte er an Heiligabend in der Kirche immer das Gefühl, seine Frau wäre bei ihm, würde über ihn wachen und ihn beschützen. Er spürte dann ihre Nähe. Diese Tradition wollte er weiterhin aufrechterhalten. Sie wäre ihm ein Trost.
    Er ging ins Schlafzimmer und holte seinen alten Sonntagsanzug aus dem Schrank. Dann ließ er sich ein Bad ein. Er wollte ordentlich und gepflegt sein, wenn er in die Kirche ging.
    In der Messe würde er seine Einsamkeit für eine Weile vergessen. Er würde Sophies Nähe spüren. Das war es wert, sich noch einmal zusammenzunehmen. So würde er nämlich wenigstens ein bisschen Weihnachten erleben, an diesem kalten und einsamen Tag.

33
    Als Laura am frühen Nachmittag nach Hause kam, wartete eine Überraschung auf sie. Eigentlich hätten die Weihnachtsvorbereitungen auf Hochtouren laufen müssen, doch im Wohnzimmer war davon kaum etwas zu sehen, abgesehen von einem nackten grünen Tannenbaum und der Krippe. Dafür war die Küche voller Menschen, die Fenster waren beschlagen, und der Duft von Kaffee und Zimtgebäck lag in der Luft. Die Grünbergs von nebenan waren da und hatten ihre Tochter Marie mitgebracht, die ihren Kater auf dem Schoß hielt und streichelte. Sogar Max hatte sich von seinem Computer losgerissen. Mitten im Raum saß eine ältere Frau, die Laura noch nie gesehen hatte.
    »Laura! Da bist du ja!«, sagte Anna.
    Ihre Tochter starrte in die Runde. »Was ist denn hier los? Und wieso ist der Weihnachtsbaum noch nicht geschmückt? Und wer sind Sie?«, wandte Laura sich an die ältere Frau.
    »Ich bin Liselotte Stubenrath«, sagte sie freundlich. »Eine Kollegin deines Opas vom Weihnachtsmarkt. Ich habe auch da
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