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Neferets Fluch ( House of Night Novelle )

Neferets Fluch ( House of Night Novelle )

Titel: Neferets Fluch ( House of Night Novelle )
Autoren: P.C. Cast , Kristin Cast
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heranrückten und vorübergingen. Mary, die Kammerfrau meiner Mutter, die ich geerbt hatte, flehte mich an, sprach mir gut zu oder schalt mich. Es kümmerte mich nicht.
    Vater war es, der mich am fünften Januar den Klauen des Schlafs entriss. In meinem Zimmer war es kalt geworden, so kalt, dass ich von meinem eigenen Zittern erwachte. Das Feuer in meinem Kamin war ausgegangen, und so zog ich an dem Band, das mit Marys Glocke in den Dienstbotenquartieren, in den tiefsten Gründen des Hauses, verbunden war. Doch sie kam nicht. Ich weiß noch, wie ich meinen Hausmantel anlegte und dabei flüchtig dachte, wie weit er zu sein schien und wie ich darin versank. Langsam und zitternd stieg ich die breite hölzerne Treppe vom zweiten Stock ins Erdgeschoss hinab, um nach Mary zu suchen. Als ich am Fuß der Treppe anlangte, sah Vater aus seinem Studierzimmer. Zunächst war seine Miene ausdruckslos, dann erschien darauf Überraschung. Gefolgt von etwas, wovon ich recht sicher bin, dass es Ekel war.
    »Emily, du siehst jämmerlich aus! So bleich und dünn! Bist du krank?«
    Ehe ich antworten konnte, erschien Mary in der Vorhalle und kam auf uns zugeeilt. »Ich hab’s Ihnen doch gesagt, Mr. Wheiler, sie isst kaum noch was. Schläft nur noch. Welkt von Tag zu Tag mehr dahin.« Bei ihrer lebhaften Rede war ihr weicher irischer Akzent stärker zu hören als gewöhnlich.
    »Nun, mit diesem Benehmen ist auf der Stelle Schluss«, sagte Vater streng. »Du verlässt ab sofort dein Bett, Emily. Du wirst wieder essen und täglich im Garten spazieren gehen. Ich dulde nicht, dass du so verhungert aussiehst. Immerhin bist du die Dame des Hauses, und Lady Wheiler hat nicht auszusehen wie ein dürres Ding aus der Gosse.«
    Sein Blick war hart, und sein Zorn schüchterte mich ein, vor allem nachdem mir bewusst wurde, dass Mutter nicht aus ihrem Salon kommen, mit ihrer Lebhaftigkeit aller Augen auf sich ziehen, mich davonscheuchen und Vater durch eine Berührung und ein Lächeln besänftigen würde.
    Automatisch trat ich einen Schritt zurück. Seine Miene wurde nur noch finsterer. »Du magst zwar aussehen wie deine Mutter, aber ihr Schwung fehlt dir. So lästig sie manchmal war, ich bewunderte ihren Schwung. Ich vermisse ihn.«
    »Ich – ich vermisse Mutter auch«, entfuhr es mir.
    »Ja sicher, Täubchen«, tröstete mich Mary. »Sind ja erst zwei gute Monate.«
    Vater ignorierte sie völlig. »Dann haben wir wohl doch etwas gemeinsam«, sagte er, als sei sie nicht vorhanden, tätschelte mir unsicher das Haar und zupfte meinen Hausmantel zurecht. »Der Verlust von Alice Wheiler hat uns zusammengebracht.« Er sah mich an, musterte mich genau. »Jawohl, du siehst genauso aus wie sie.« Vater strich sich über den dunklen Bart. Das Harte, Einschüchternde wich aus seinem Blick. »Wir müssen das Beste aus ihrem Fehlen machen, nicht wahr?«
    »Ja, Vater.« Sein zunehmend sanfterer Ton erleichterte mich.
    »Gut. Dann erwarte ich, dass du dich wieder jeden Abend zum Dinner zu mir gesellst, wie du und deine Mutter es früher taten. Du wirst dich nicht mehr in deinem Zimmer verkriechen und deine Schönheit weghungern.«
    Da lächelte ich – lächelte wahrhaftig. »Gern.«
    Er grunzte etwas, klopfte sich mit der Zeitung, die er in der Hand hielt, auf den Arm und nickte. »Dann bis zum Dinner.« Und er ging an mir vorbei in den Westflügel des Hauses.
    »Vielleicht habe ich heute Abend sogar ein bisschen Hunger«, sagte ich zu Mary, die mir unter besorgtem Geschnatter die Treppe hinaufhalf.
    »Gut zu sehen, dass er Ihnen endlich Beachtung schenkt, o ja«, flüsterte Mary glücklich.
    Ich beachtete sie kaum. Mein einziger Gedanke war, dass es zum ersten Mal seit zwei Monaten etwas außer Schlaf und Traurigkeit gab, was mich beschäftigte. Vater und ich hatten etwas gemeinsam!
    Zum Dinner kleidete ich mich sehr sorgfältig an. Erst jetzt begriff ich, wie schrecklich dünn ich geworden war, da mein schwarzes Trauerkleid eingenäht werden musste, um nicht hässlich lose an mir zu hängen. Mary steckte mir das Haar zu einem schweren Chignon auf, unter dem mir mein hageres Gesicht viel älter schien, als es meinen fünfzehn Jahren entsprach.
    Niemals werde ich vergessen, wie ich zusammenzuckte, als ich das Speisezimmer betrat und die beiden Gedecke auf dem Tisch sah – das von Vater an der Stirnseite, wo er stets gesessen hatte, und meines zu seiner Rechten. Dort, wo bisher das von Mutter gewesen war.
    Er stand auf und hielt mir Mutters Stuhl hin. Als ich
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