Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nebenwirkungen

Nebenwirkungen

Titel: Nebenwirkungen
Autoren: Woody Allen
Vom Netzwerk:
erinnere dich an ihn?" "Es ist, als ginge ich mit meinem Bruder ins Bett", weinte sie. "Okay, okay, weine nicht. Wir kriegen das schon hin. Ich muß ein paar Aspirin nehmen und mich hinlegen. Ich fühl mich nicht gut."Ich preßte die Hände auf meine pochenden Schläfen und als wäre ich total von den Socken, aber mir war natürlich klar, daß meine starke Beziehung zu ihrer Mutter mich von Connie aus gesehen in gewisser Weise in die Bruderrolle gedrängt hatte. Das Schicksal übte Vergeltung. Qualen sollte ich leiden wie Tantalus, nur Zentimeter entfernt von Connie Chasens anmutigem, sonnengebräuntem Körper, doch außerstande, sie anzufassen, ohne aus ihr zumindest vorderhand die klassische Verwünschung "Ach Quatsch!" hervorzulocken. Bei der undurchschaubaren Rollenverteilung, die sich in allen unseren Gefühlsdramen ereignet, war ich plötzlich zum Geschwisterchen geworden.
    Verschiedene Stadien des Schmerzes kennzeichneten die nächsten Monate. Zunächst der Schmerz, im Bett zurückgewiesen zu werden. Dann, daß wir uns sagten, der Zustand sei vorübergehend. Damit einher ging ein Versuch meinerseits, verständig zu sein, geduldig zu sein. Ich erinnerte mich, einmal im College nicht imstande gewesen zu sein, es mit einer aufregenden Mieze, mit der ich mich verabredet hatte, zu treiben, weil irgendeine undefinierbare Drehung ihres Kopfes mich an meine Tante Rifka erinnerte. Dieses Mädchen war viel hübscher gewesen als die karnickelgesichtige Tante aus meiner Kinderzeit, aber die Vorstellung, mit der Schwester meiner Mutter zu schlafen, zerstörte den Augenblick unwiderruflich. Ich wußte, was Connie durchmachte, und dennoch steigerte und festigte sich meine sexuelle Frustration von ganz allein. Nach einer gewissen Zeit suchte sich meine Selbstbeherrschung in sarkastischen Bemerkungen Luft zu machen, und später in einem Gelüst, das Haus abzubrennen. Trotzdem versuchte ich nach wie vor, nicht unüberlegt zu handeln, mich aus dem Sturm der Unvernunft zu retten und zu erhalten, was in jeder anderen Hinsicht nach wie vor ein gutes Verhältnis zu Connie war. Mein Vorschlag an sie, einen Analytiker aufzusuchen, stieß auf taube Ohren, denn nichts war ihrer protestantischenglischen Erziehung fremder als die jüdische Wissenschaft aus Wien.
    "Schlaf mit anderen Frauen. Was soll ich sonst sagen?" schlug sie vor.
    "Ich möchte nicht mit anderen Frauen schlafen. Ich liebe dich."
    "Und ich liebe dich. Das weißt du. Aber ich kann nicht mit dir ins Bett gehen." Ich war wirklich nicht der Typ, der in der Gegend herumschlief, denn trotz meiner Traumepisode mit Connies Mutter hatte ich Connie nie hintergangen. Klar, ich hatte normale Wunschträume über mir zufällig begegnende Frauen - diese Schauspielerin, jene Stewardess, irgendeine großäugige Studentin -, doch nie wäre ich meiner Geliebten untreu geworden. Und nicht etwa, weil ich das nicht hätte können. Bestimmte Frauen, mit denen ich in Berührung kam, waren ziemlich geradezu, um nicht zu sagen raubgierig gewesen, aber ich hatte Connie die Treue gehalten; und doppelt sogar in dieser quälenden Zeit ihres Unvermögens. Natürlich kam es vor, daß ich Emily wiederbegegnete, die ich nach wie vor mit oder ohne Connie auf unschuldige, kameradschaftliche Weise traf, doch war mir klar, daß die Funken zu schüren, die zu löschen ich mich erfolgreich bemüht hatte, nur jedermann ins Unglück führen würde.
    Das heißt nicht, daß Connie treu war. Nein, die traurige Wahrheit ist, sie war bei zumindest mehreren Gelegenheiten fremden Tücken unterlegen und hatte heimlich mit Schauspielern und Autoren geschlafen.
    "Was soll ich deiner Meinung nach sagen?" weinte sie eines Nachts früh um drei, als ich sie im Gewirr einander widersprechender Ausreden ertappt hatte. "Ich mach’s bloß, um mich zu vergewissern, daß ich nicht irgendso eine Mißgeburt bin. Daß ich immer noch imstande bin, mit jemandem zu schlafen."
    "Du bist also imstande, mit jedem zu schlafen, außer mir", sagte ich wütend bei dem Gefühl, mir geschähe Unrecht.
    "Ja. Du erinnerst mich an meinen Bruder."
    "Ich will diesen Blödsinn nicht mehr hören."
    "Ich hab dir ja gesagt, du sollst mit anderen Frauen schlafen."
    "Das habe ich noch nicht versucht, aber es sieht ja so aus, als müßte ich’s."
    "Bitte. Tu’s. Es ist ein Fluch", schluchzte sie. Es war wahrhaftig ein Fluch. Denn wenn zwei Menschen sich lieben und wegen einer geradezu komischen Verirrung gezwungen sind, sich zu trennen, was könnte es da
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher