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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition)
Autoren: Heinz Zwack
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vorwerfen.
    Meine Kollegen in Luteta haben sich das natürlich sehr leicht vorgestellt. Als erst einmal alle Fakten bekannt und überprüft waren, hat es keine drei Tage gedauert, einen Beschluss über einen grundlegenden Wechsel in unserer Politik zu treffen. Dementsprechend erwarten sie natürlich, dass das hier auch so schnell geht. Ich lebe jetzt seit vielen Jahren hier und weiß, dass das nicht eine Frage von Tagen, sondern eher eine von Monaten, wahrscheinlich sogar Jahren ist. Und wir dürfen das nicht vermasseln« – ich musste über die Formulierung lächeln, zeigte sie doch wieder einmal, wie heimisch Jacques Dupont hier geworden war –, »vielmehr erfordert das eine wohlüberlegte Kampagne, und dazu brauchen wir Leute, die mit den hier üblichen Prozeduren der Diplomatie und der Politik vertraut sind.«
    Wieder eine Kunstpause, in der er mich erwartungsvoll musterte. Ein schrecklicher Verdacht beschlich mich, und mir wurde abwechselnd heiß und kalt. Ein Blick zu Carol neben mir ließ mich erkennen, dass sie das Gleiche dachte.
    »Sie meinen … ich soll … aber das ist doch völlig abwegig!«
    »Ist es nicht! Und, nehmen Sie’s mir nicht übel, Bernd, ich habe doch gar keine andere Wahl! Ich, wir brauchen jemanden, der hier zu Hause ist.« Meinen Einwand wehrte er mit einer lockeren Handbewegung ab. »Jedenfalls mehr zu Hause, als ich das bin. Jemanden, der hier Leute in Regierungs- und Medienkreisen kennt und deren Sprache spricht. Und das deutet alles auf Sie. Und jetzt kommen Sie mir bloß nicht damit, dass Sie schließlich in Rente sind!«
    »Aber ich kenne doch hier niemanden, das wissen Sie doch, keine Menschenseele!«
    »Unsinn!«, fiel er mir ins Wort. »Wenn ich mich recht entsinne, haben Sie sowohl in München einen gewissen Herrn Thadewald wie auch in Oxford einen Mr. Moriarty aufgesucht, deren Zwillinge Sie in Ihrer Zeitlinie kannten und die beide nicht den geringsten Verdacht geschöpft haben, Sie könnten nicht der sein, für den Sie sich ausgegeben haben. Genauso werden Sie in den Medien und der Politik eine Menge Bekannte finden – und exakt das sind die Verbindungen, die wir, die Sie brauchen werden, um diesen Job zu erledigen!«
    ***
     
    Als Dupont schließlich gegangen war, hatte Carol sich gewundert, dass ich nicht sofort zugesagt hatte. Carol, die Spontane, die mir immer wieder vorwarf, ich lasse mir bei meinen Entscheidungen zu viel Zeit, gehe die Probleme zu analytisch und zu wenig emotionell an.
    »Aber kannst du dir eine Vorstellung machen, was das für eine Herkulesaufgabe ist? Eine ganze Welt davon überzeugen, dass wir nicht allein sind, dass es Menschen gibt, Menschen wie wir, nur aus einer anderen Welt, die seit über zweihundert Jahren unter uns leben, uns sozusagen unterwandert haben? Und ihnen dann klarmachen, dass das nicht etwa Aliens sind, Schmarotzer, Diebe – kurzum: etwas Neues, nie Dagewesenes, das unsere ganze Weltordnung aus den Fugen werfen kann? Und ich, Bernd Lukas, selbst ein Fremder hier, ein Grenzgänger, soll die ganze Menschheit davon überzeugen, dass das gut für uns sein soll!«
    Stundenlang hatten wir argumentiert, schließlich eine Flasche Wein geöffnet, als wir beide verspürten, dass uns die Kehle trocken wurde, waren aber zu keinem Ergebnis gekommen und hatten uns schließlich erschöpft schlafen gelegt, nicht ohne uns vorher zu versprechen, das Thema einfach ein oder zwei Tage ruhen zu lassen und uns stattdessen morgen mit der Planung unseres Amerikaurlaubs zu befassen.
    Trotzdem hatte ich Dupont am nächsten Vormittag angerufen und ihm vorgeschlagen, uns am Nachmittag zusammenzusetzen, um ›seine verrückte Idee zu zerpflücken‹, wie ich es ihm gegenüber formulierte.
    Carol hatte mir vorher beim Frühstück erklärt, sie sei fest überzeugt, dass ich ›die Herausforderung annehmen‹ werde – ihre Formulierung –, und mich davon in Kenntnis gesetzt, dass sie jetzt voll und ganz mit Urlaubsvorbereitungen beschäftigt sei und ich mich gefälligst allein mit Dupont streiten solle.
    ***
     
    Wir saßen in dem gleichen Lokal, in dem Dupont uns beide davor bewahrt hatte, von dem außer Kontrolle geratenen Porsche zerquetscht zu werden, und hatten eine Stunde lang Argumente ausgetauscht, ohne dabei einen Schritt weiterzukommen. Dass Duponts Plan sinnvoll war, also dass eine Integration der Gäler in unsere Welt auch zu unserem Vorteil sein könnte, leuchtete auch mir ein. Die Erfahrung aus meiner eigenen Welt, die Integration vieler
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