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Nebenan: Roman

Nebenan: Roman

Titel: Nebenan: Roman
Autoren: Bernhard Hennen
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auf den Flur hinaus. Hinter ihm schloss sich die Aufzugstür. Er war im zweiten Stock.
    Vor dem Eingang zur Germanistischen Bibliothek wartete Nöhrgel. Der alte Heinzelmann trug einen eleganten Zweireiher. Neben ihm stand ein kleiner Lederkoffer.
    »Du hast keinen Spaß an der Sache?«, fragte der Heinzelmann.
    Till schüttelte den Kopf. »Vor einem Monat war mein Examen für mich das Wichtigste auf der Welt … Aber was bedeutet es jetzt noch?«
    Nöhrgel strich sich nachdenklich über den Bart. »So geht es den meisten Langen , die einmal Nebenan waren. Sie finden keinen Frieden mehr in ihrem Leben. Mir scheint auch …« Er schüttelte den Kopf. »Mozzabella wünscht dich zu sehen. Du kennst sie ja. Es ist besser, sie nicht warten zu lassen.« Er senkte die Stimme. »Bei manchen Sorgen ist sie wirklich eine Hilfe. Es wird dir gut tun, mit ihr zu sprechen. Ich glaube, sie und Neriella waren Freundinnen. Es ist schon alles arrangiert. Du kannst jederzeit nach Nebenan . Ich habe im Ältestenrat durchgesetzt, dass man dich das Tor passieren lässt, wann immer du willst. Es steht übrigens wieder dort, wo es hingehört, tief unter der Universität. Du wirst keine Schwierigkeiten haben hinüberzugehen, auch wenn ich nicht mehr hier bin.«
    Allein an Neriella zu denken ließ einen dicken Kloß in Tills Hals aufsteigen. Er wollte jetzt nicht reden und auch nicht nach Nebenan . Am liebsten hätte er sich einfach nur verkrochen und in seinem Elend begraben. »Du wirst gehen?«, fragte er einsilbig.
    Nöhrgel sah zu dem Koffer, der neben ihm auf dem Boden stand. »Tja … Ich dachte, es kann nicht schaden, sich ein bisschen den Wind um die Nase wehen zu lassen. Ich war schon zu lange hier in Köln. Ich sollte mir auch den Rest der Welt einmal anschauen … Außerdem soll Laller ruhig sehen, wie es so ist, der Älteste zu sein. Wenn ich bliebe, würde es nicht lange dauern, bis er wieder anfängt Intrigen zu spinnen. Ich bin diese nutzlosen Machtkämpfe müde. Soll er doch haben, was er begehrt. Ich bin neugierig auf die Neue Welt. Ich hatte schon zu Zeiten Karls V. einmal daran gedacht, nach Amerika zu segeln. Manchmal muss man ziemlich alt werden, um sich seine Jugendträume zu erfüllen. Mache nicht denselben Fehler, Till. Geh zu Mozzabella. Sie wird dir helfen!« Der Älteste griff nach seinem Koffer, zog eine schwere Uhr aus seiner Weste und ließ den goldenen Deckel aufschnappen. »Es ist an der Zeit für mich. Ich werde noch meinen Flieger verpassen. Leb wohl, Till.«
    Der alte Heinzelmann ging in Richtung der Rolltreppen am Ende des Flurs und wich dabei einer jungen, blonden Studentin aus, die keine Ahnung hatte, wessen Weg sie kreuzte.
    Jetzt, wo er allein war, fühlte Till sich sehr verloren. Sollte er auf den Ältesten hören?
    *
    Als Till aus dem Tor trat, schlug ihm atemberaubender Ziegengestank entgegen. Mozzabella hielt ihre kleine Laterne hoch, deren Licht kaum reichte, um auch nur die halbe Höhle auszuleuchten. »Du bist spät. Typisch Mann! Ich stehe hier schon eine halbe Ewigkeit und warte auf dich!«
    »Aber …«, setzte der Student an, doch die Älteste unterbrach in barsch.
    »Versuch nicht dich herauszureden. Ich habe sämtliche lahmen Männerausreden schon dutzende Male gehört. Komm lieber mit, dort hinten wartet jemand auf dich.« Sie scheuchte ein paar Ziegen zur Seite und machte sich auf den Weg zum anderen Ende der Höhle.
    Das schaukelnde Licht der Laterne verwandelte die Höhle in einen Hort tanzender Schatten. Dann sah Till ein Paar Füße, das in Lederstiefeln steckte. Außerordentlich gut geputzten, schwarzen Lederstiefeln! Das Licht tanzte zurück. Im nächsten Augenblick enthüllte es ein zweites Paar Füße, in Lackschuhen mit breiten Silberspangen und rotweiß geringelten Socken. Auch der Zipfel eines mit Rabenfedern besetzten Umhangs war zu sehen.
    »Gabriela?«, rief Till ungläubig.
    Mozzabella hob die Laterne ein wenig höher und jetzt endlich war die schwarz gewandete Tänzerin in voller Größe zu sehen. Neben ihr stand die krummbeinige Hexe aus dem Knusperhäuschen.
    »Ich lasse dich mit den Damen allein«, sagte die Älteste und stellte die Laterne auf dem Boden ab. »Ich denke, ihr habt vielleicht einiges zu besprechen.«
    Gabriela wedelte mit einem parfümierten, schwarzen Spitzentüchlein vor der Nase. »Reden wir lieber draußen. Hier fühlen sich nur Ziegen wohl.«
    Die Tänzerin hinkte und stützte sich auf eine schön geschnitzte Krücke aus dunklem Holz. Um den rechten
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