Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neandermord

Neandermord

Titel: Neandermord
Autoren: Oliver Buslau
Vom Netzwerk:
Sie dann im Bergischen Land auf der Flucht, und Sie haben sich Frau Ahrens anvertraut, die ja Ihre Verwandte ist. Ihre Cousine?«
    »Meine Tante.«
    »Sieh an, dann ist sie ja älter als Sie.«
    »Tanten können auch jünger sein als ihre Neffen.«
    Sie sah in die Unterlagen. »Ich lese hier, dass sie fünfundfünfzig ist. Meine Herren, dafür hat sie sich aber gut gehalten … Jedenfalls hat die Frau einiges mitgemacht. Sie wollte sicher zur Polizei gehen, und da gerieten Sie wieder in einen Konflikt. Sie konnten ihre arme attraktive Tante nicht so einfach ermorden, aber Sie konnten auch nicht zulassen, dass sie zur Polizei ging. Also mussten Sie sie einsperren. In dem Lager auf dem Gelände der Baufirma. Das wiederum hat aber Herr Kotten, dem das Grundstück gehört, bemerkt. Und so kam es zur Fortsetzung der grässlichen Blutspur durch das Bergische Land.« Sie sah mich an, mit hartem Gesichtsaudruck. »Rott, Sie sind ein Mörder, geben Sie es zu. Jetzt haben Sie die Möglichkeit, auszusagen. Ein Geständnis abzulegen. Es würde sich vielleicht strafmildernd auswirken. Aber wenn Sie sich um alle Chancen bringen wollen …«        
    »Haben Sie das Lager durchsucht? Dort finden Sie die Knochen des Skeletts. Sie sind auf der Baustelle gefunden worden. Ich weiß, dass sie da sind.«
    »Haben Sie sie gesehen?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    Die Dorau lachte - und das so schmetternd, dass ihr Gelächter in einen Hustenanfall überging. Es dauerte mindestens eine Minute, bis sie sich wieder gefangen hatte. Ich dachte schon, sie würde ersticken, und diesen Todesfall würde man mir dann auch noch anhängen.
    »Mensch, Rott. Eberhard hat mir ja oft erzählt, dass Sie ein Spinner sind, aber dass es so schlimm ist … In dem Raum, wo wir Sie geschnappt haben, war nichts als ein Haufen altes Bauholz. Dazwischen ein paar Reste von Zementsäcken.«
    »Haben Sie genau nachgeschaut?«
    Sie beugte sich vor. »Wenn wir von der Polizei etwas können, Rott, dann ist es, irgendwo genau nachzuschauen. Ganz genau. Seriöse Polizeiarbeit. Verstehen Sie?«
    Ich verstand.
    »Wenn wir dort Knochen gefunden hätten, dann wäre das wirklich ein Indiz gewesen, das Sie entlasten könnte. Und wenn sich dann auch noch zeigen würde, dass sie von der Baustelle stammen, sowieso. Im Allgemeinen kann man so was ganz gut nachweisen. Aber das ist ja ein Märchen, das Sie uns hier auftischen. Was für Knochen sollen das denn überhaupt gewesen sein? Von einem weiteren Ermordeten? Oder aus einem Grab?«
    »Von einem Neandertaler«, sagte ich und sah mich nun der geballten Wucht von Frau Doraus Spott ausgesetzt.
    Wieder Lachen, ein gewitterartiger Hustenanfall. Dazwischen immer wieder der Versuch, das Wort Neandertaler zu artikulieren.
    Es hörte einfach nicht auf, und mit jeder Sekunde, die es länger dauerte, wurde mir klarer, dass ich geliefert war.
    Heute beginnt der Rest deines Lebens, Rott. Und heute stellt sich die Weiche, wie du diesen Rest deines Lebens verbringst. Im Knast, lebenslänglich.
    Eventuelle Entlassung mit Mitte siebzig.
    Nie wieder im Golf über die Höhen des Bergischen Landes brettern, auf der Suche nach Zeugen und Beweisen. Kein Besuch mehr im Restaurant mit dem großen M.
    Ich saß da wie ein armes Sünderlein und wartete darauf, dass man mich in eine Zelle brachte. Ich war müde. So furchtbar müde. Sollten sie mit mir machen, was sie wollten - Hauptsache, sie ließen mich schlafen. Und wenn es auf einer harten Pritsche war.
    Plötzlich veränderte sich etwas. Leute drängten in den Raum.
    Selbst die Dorau war überrascht, doch dann legte sie ein balzendes Lächeln auf, als sie unter den Ankömmlingen Jutta erblickte. Dabei sah meine Tante im Moment nicht gerade attraktiv aus. Ihre helle Jeans war von Flecken übersät, und ihre Frisur war ziemlich aus dem Leim. Im Schlepptau hatte sie zwei ältere Herren. Einen sehr schlanken Loriot-Verschnitt und einen kleinen Dicken, der gerade gähnte, ohne die Hand vor den Mund zu halten. Na ja, es war ja auch spät. Oder früh, wie man’s nahm.
    Was die wohl wollten?
    Egal, es ging mich nichts mehr an. Ich war schon nicht mehr von dieser Welt. Ich trug bereits den gestreiften Sträflingsanzug, man sah ihn nur noch nicht.
    »Frau Ahrens?«, hörte ich die Dorau zuckersüß sagen. »Haben Sie sich schon erholt? Wie kommen Sie hierher?«
    »Durch die Tür«, sagte Jutta, und erst jetzt bemerkte ich, dass sie eine Plastiktüte in den Händen hielt. Ein grünes Werbelogo war darauf zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher