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Neal Asher - Skinner-Der blaue Tod

Neal Asher - Skinner-Der blaue Tod

Titel: Neal Asher - Skinner-Der blaue Tod
Autoren: Neal Asher
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versuchten jetzt sehr angestrengt, nicht den Anschein zu erwecken, sie würden zuhören. Erlin schüttelte den Kopf, während sie den Reifi genauer betrachtete. Er bot keinen Anlass zum Abscheu. Weder stank er, wie man von Reifis allgemein glaubte, noch musste man sich vor ihm fürchten – einige der aufgerüsteten Typen hier im Landungsboot hätten ihn mühelos in Stücke reißen können. In Erlin erweckte er jedoch fast quälendes Interesse. Was war der Grund für ihn gewesen, nach dem Tode weiter funktionieren zu wollen?
    »Ich bin nicht gebunden«, entgegnete der Gefährte des Reifis, hob sein Getränk vom Tisch auf und nahm einen Schluck.
    Erlin wandte sich ihm zu. »Was?«, fragte sie.
    »Ich bin nicht gebunden«, wiederholte er kurz und setzte das Getränk ab.
    »Oh, ich verstehe«, sagte Erlin und musterte ihn.
    Er trug eine Jeans, deren Beine in den strapazierfähigen Stiefeln eines Umweltanzugs steckten, sowie ein weites Stoffhemd, das am Hals offen stand und den Blick auf einen Tiki-Talisman der Maori freigab. Er zeigte keine sichtbare Spur einer Aufrüstung, was aber nicht hieß, dass keine vorhanden gewesen wäre. Das Gesicht unter den widerspenstigen blonden Haaren war attraktiv und falkenartig, und Erlin hielt es für wahrscheinlich, dass es irgendwann mal kosmetisch verändert worden war, wenn auch vor langer Zeit, denn inzwischen schimmerte echter Charakter hindurch und milderte die sterile Schönheit eines kosmetischen Eingriffs. Links trug er einen einzelnen Diamant-Ohrstecker – wahrscheinlich der Transponder seiner Verbindung mit der Schwarmintelligenz.
    »Waren Sie mal gebunden?«, erkundigte sie sich.
    »Zwei Jahre lang«, antwortete er. »Und sie endeten vor etwa zwanzig Jahren.«
    »Zwei Jahre … die übliche Strafe für die Tötung einer Hornisse, nicht wahr?«, fragte Erlin.
    Der Mann nickte grinsend, ehe er erneut nach seinem Getränk griff. Erlin betrachtete ihn noch einen Augenblick länger, dann gewann ihre Neugier die Oberhand und sie wendete sich wieder seinem Gefährten zu.
    Die Reifikation trug einen praktischen Monofaser-Overall von fadem Grau sowie eine glatte Metallraute an einer Kette um den Hals. Zu Lebzeiten war der Mann offenkundig ein Schwerweltler gewesen. Jetzt spannten sich faserige Muskeln über das dicke Skelett, waren die Hände nur noch knochige Klauen und wirkte der Teil des Gesichts, der unter einem halbseitigen Verstärker hervorragte, wie das einer grauen Mumie. Erlin nahm als Nächstes den Verstärker in Augenschein: Er war golden und wies einen Kartuscheneinsatz auf; ein Befeuchtungsschlauch, gestaltet wie eine Kobra mit ausgebreiteter Kapuze, kam darunter zum Vorschein und schlängelte sich um das einzelne sichtbare Auge des Reifis. Das Auge war blau und der einzige Teil an ihm, der auch nur entfernt lebendig wirkte.
    Natürlich, jetzt erkannte sie auch, was diese beiden Personen zusammengeführt haben konnte: die Angst und der Abscheu der anderen hier! Die meisten Menschen mussten sich erst noch von ihrer atavistischen Angst vor großen, stechenden Insekten befreien, und die meisten mieden die Gesellschaft von Leichen, egal wie interessant das Gespräch zu werden versprach. Mehr als alles in der Welt, in irgendeiner Welt, sehnte sich Erlin nach etwas, was ihr Interesse wach hielt. Sie fragte sich, welche Geschichten hier darauf warteten, erzählt zu werden.
    Der Reifi senkte den Glashalm wieder ins Getränk zurück und lehnte sich mit bedächtiger Präzision zurück. Als er das blaue Auge jetzt auf Erlin richtete, glaubte sie, seinen Hals knarren zu hören. Ein klickendes Schlucken klang tief aus seiner Kehle hervor, und dann meldete er sich in einem erstaunlich sanften Bariton zu Wort, wobei die Worte nicht ganz synchron zu den Lippenbewegungen ertönten. Andererseits hielt Erlin es aber auch für unwahrscheinlich, dass es tatsächlich die Stimmbänder waren, die diese Worte formten.
    »Viele suchen hier nach der Unsterblichkeit«, sagte der Reifi und neigte bedächtig den Kopf, um die kreisförmige blaue Narbe auf Erlins Unterarm zu betrachten. Es war ein einfacher Schachzug der Gesprächsführung, um die Aufmerksamkeit von sich selbst abzulenken. Erlin gab vor, nicht auf seine Worte zu reagieren, aber ihr war auf einmal sehr heiß und unbehaglich zu Mute. Das Geheimnis von Spatterjay lag seit vielen Jahren offen, und die Unsterblichkeit wurde als Ware auf dem Markt verhökert. Warum fühlte sie sich dann schuldig?
    »Viele haben sie gefunden und
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