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Nazigold

Nazigold

Titel: Nazigold
Autoren: Paul Kohl
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Als
Zugereisten aus der Schweiz?«, stichelt er. »Tät mich nicht wundern.«
    »Ferdl, jetzt sehen wir uns nach sieben Jahren wieder, und du machst
mir so einen Tanz«, sagt Gropper freundlich, um seinen alten Kollegen zu
beruhigen.
    Buchner besinnt sich und gibt als Grund für seine schlechte Laune
an: »Ich bin hier ganz allein. Der eine Kollege ist beim Einsatz. In der
Kreissparkasse haben sie in der Nacht eingebrochen. Wahrscheinlich wieder
herumstreunende Polacken. Und der andere hat zu einer Messerstecherei müssen.
Die üblichen Flüchtlingskämpfe. So geht das jeden Tag. Die zwei sind eigentlich
zu jung dafür. Aber wir haben keine anderen.«
    Immer noch missmutig führt er Gropper in ein Hinterzimmer, einen
Lagerraum, der vollgepackt ist mit Kisten, Benzinkanistern, Öltonnen und Bergen
von Säcken.
    »Alles Hehlerware. Schmugglergut. Konfisziert in einer Woche. Wir
haben für dich ein bisschen Platz freigemacht. Für deine Vernehmungen. Die
Zeugen sind auch schon bestellt. Die Putzfrau vom Nafziger, der Zeitungsjunge
und der Müllfahrer waren als Erste am Tatort.«
    In einer Ecke sieht Gropper einen alten Holztisch und zwei Stühle.
»Und die Schreibmaschine?«, fragt er.
    »Gibt’s nicht. Wir haben selbst nur ein einziges Klapperglump aus
dem Krieg. Und die brauch ich selber. Unsere Befreier haben alle
Schreibmaschinen beschlagnahmt. Wir könnten ja damit Hetzschriften tippen gegen
die Sieger.«
    »Wie soll ich arbeiten ohne Schreibmaschine?«
    »Vielleicht hat der Bürgermeister noch eine. Frag den Sattler.«
    »Unseren Max Sattler? Der ist wieder Bürgermeister?«
    »Warum bist du so erstaunt?«
    »Der war doch Ortsgruppenleiter!«
    »Na und?«
    »Bei den Nazis Ortsgruppenleiter und jetzt bei den Amis
Bürgermeister.« Gropper schüttelt den Kopf.
    »Warum nicht?« Buchner versteht nicht, warum Gropper so verblüfft
ist. Das ist doch fast überall so. Auch ihn hat man nach Kriegsende gleich
wieder übernommen, obwohl er in der Nazizeit hier Dienststellenleiter war. Die
Amerikaner brauchten fähige Leute. Es musste weitergehen in Deutschland.
    »Und woher hast du deine Schreibmaschine?«, fragt Gropper.
    »Von Sattler.«
    »Und von wem hat er sie?«
    »Die Amis haben sie ihm aus ihrem beschlagnahmten Bestand gegen ein
paar alte Ritterkreuze verschachert. Und wir haben sie vom Sattler für ein paar
alte goldene Parteiabzeichen zurückgeholt. Da kannst du sehen, was das alte
Glump noch wert ist.«
    »Und wo ist das Telefon?«
    »Wir haben nur eines. Auf meinem Schreibtisch. Die Amis wollen
kontrollieren, mit wem wir telefonieren.«
    »Das ist ja wie früher.«
    »Mit dem Unterschied«, sagt Buchner grinsend, »dass wir befreit
sind.« Es ist die erste fröhliche Regung in seinem Gesicht.
    »Und wo ist meine Unterkunft? Doch nicht in diesem Lagerraum?«
    »Du wohnst im ›Karwendelblick‹«, sagt Buchner wieder ernst. »Im
Gries. Ganz in der Näh.«
    Gropper kennt diese Privatpension. Sie gehört Nafzigers Mutter
Marianne. Er freut sich, sie wiederzusehen. Bevor Anton zu den Gebirgsjägern
ging, hat er ihn oft dort besucht.
    »Das einzige Zimmer, das Sattler auftreiben konnte. Und auch nur mit
Schwierigkeiten.«
    »Wieso der Sattler?«
    »Als Bürgermeister verfügt er über die Zimmervergabe. Und wir haben
uns danach zu richten. Alles ist überfüllt. Eine Familie hat aus dem Zimmer
rausmüssen für dich. Die Hotels sind belegt mit den Flüchtlingen. Und mit den
Amis. Soll aber ein sehr schönes Zimmer sein.«
    Luise anrufen!, erinnert sich Gropper plötzlich. Unterwegs war es
nicht möglich, und jetzt hätte er es beinahe vergessen. Er bittet Buchner,
seinen Apparat kurz benutzen zu dürfen.
    »Aber nur, wenn du dienstlich mit ihr sprichst.« Buchner feixt und
zeigt auf das Telefon in seinem Büro.
    Es dauert eine Weile, bis sich Luise meldet, dann hört er ihre
schlaftrunkene Stimme. Da fällt ihm ein, dass sie im Sanatorium Nachtdienst
hatte. Kurz bevor er die Wohnung verließ, kam sie von der Arbeit zurück.
    »Hab ich dich geweckt?«
    »Ja«, hört er sie sagen.
    »Entschuldige.«
    »Ja«, sagt sie müde, als würde sie am Telefon einschlafen.
    »Ich wollte dir nur sagen, dass alles in Ordnung ist.«
    Schon will er auflegen, damit sie sich wieder schlafen legen kann,
aber da fragt sie ihn, wie die Fahrt war und wie es in Mittenwald ist. Während
er ihr kurz berichtet, beobachtet er, wie Buchner ein hellblaues
Steingutfläschchen mit dem dunkelblauen Aufdruck »Pöschl Schmalzler« aus
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