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Nayidenmond (German Edition)

Nayidenmond (German Edition)

Titel: Nayidenmond (German Edition)
Autoren: Sandra Gernt
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gegeben. Jetzt wollte er nichts anderes als Iyen zurückhaben zu dürfen. Oder wenigstens einen Funken Hoffnung, ihn irgendwann noch einmal sehen zu können.
    Tarrin schlug ihm aufmunternd auf die Schulter, was Rouven beinahe aus dem Sattel geworfen hätte.
    „Vermisst du ihn?“, flüsterte er ihm zögerlich zu. Rouven sah ihn nur an, er wagte nicht, auch nur zu nicken. Es sich selbst einzugestehen, wie sehr er Iyen brauchte.
    „Es tut mir leid, dass es so kommen musste. Dass du … dass wir es damals nicht gemerkt haben, was geschehen ist. Barlev hatte zu mir gesagt, wir müssten dich drängen, dich einem Heiler anzuvertrauen, also, richtig anzuvertrauen. Ich hab ihm gesagt, das wäre Unfug, deine Wunden wären doch alle offensichtlich…“
    Nie zuvor hatte Tarrin ihm so viel Aufmerksamkeit geschenkt, nicht einmal damals, als sie ihn auf diesem Hügel gefunden und halb tot ins Lager geschleppt hatten. Er hatte die Sache Barlev überlassen, sich ein, zweimal zu ihm ins Zelt verirrt und gefragt, ob ihm noch irgendetwas zu seinen Entführern einfallen würde. Wie es ihm ging, hatte ihn nur insoweit interessiert, dass er so schnell wie möglich nach Hause reiten wollte und er dringend darauf wartete, wann Rouven dazu fähig war. Barlev zu täuschen war schwieriger gewesen. Er hatte die Blutergüsse an Armen und Hüften gesehen, wo Jarne und Bero ihn gehalten hatten. Die Schnittwunden, Schlagmale und Nadeleinstiche, die Spuren der Fesseln, die Hinweise darauf, dass man ihn stundenlang auf den Knien hatte liegen lassen. Auf die direkte Frage, ob er vergewaltigt wurde, mit einem überzeugenden „Nein“ zu antworten, Barlev dabei in die Augen zu blicken, ohne sich zu verraten, hatte ihn damals viel gekostet.
    Es kostete ihn jetzt noch mehr Überwindung, sich ihm zuzuwenden und fast lautlos zu flüstern: „Vergib mir. Ich hätte dir vertrauen sollen.“
    Barlev lächelte traurig und winkte ab. „Ich wusste es. Als du bewusstlos warst, habe ich … nun … nachgesehen. Gefragt hatte ich nur, um zu prüfen, ob du darüber sprechen oder es mit dir allein ausmachen wolltest.“ Nur, wenn man ihn wirklich gut kannte, sah man, dass Barlev verletzt war.
    Niedergeschlagen ritt Rouven zwischen seinen beiden Brüdern dahin und wünschte, ein Feuer speiender Drache würde kommen und ihn mit sich fortreißen.
    Was für ein schlechter Mensch ich sein muss, dass ich all das verdient habe, dachte er. Ein Teil von ihm wusste, dass solche Gedanken sinnloses Jammern waren, selbstsüchtiges Winseln, sonst nichts. Es war ihm vollkommen gleichgültig.
     

Iyen beobachtete den Aufbruch der Reitergruppe. Er hatte am Waldrand gewartet, zum einen, um Rouven zu sehen, der so unglücklich schien, wie er selbst sich fühlte; zum anderen, um sicher zu sein, dass Arnulf sich an sein Wort hielt. Ein Oshanta überlebte nur, weil er sich niemals auf irgendetwas oder irgendwen verließ, außer sich selbst.
    Er musste Jarne und Bero noch begraben, sich dann entscheiden, wohin er nun gehen sollte, nachdem er alles verloren hatte. Doch jetzt brauchte er einen Ort, wo ihn niemand beobachten konnte, um zu tun, wozu kein Oshanta fähig war: aus tiefster Seele um seinen Verlust weinen.
     

17.
     
    „Die Fähigkeiten eines Oshanta sind Legende. Sie beherrschen jede Waffe, vor allem den Wurfdolch, der niemals fehlgeht. Sie klettern über glatte Mauern in schwindelnder Höhe, verbergen sich unsichtbar vor aller Augen, und wer die Metallperlen in ihren seelenlosen Gesichtern erblickt, ist des Todes. Es gibt nichts Gutes in ihnen, keine Gnade, keine Ehre, keine Menschlichkeit.“
    Aus: „Die sieben Säulen des Krieges“, Urheber unbekannt
     
    Iyen verharrte seit Stunden in einem schmalen, dunklen Loch, in einer Nische der Hauptküche im Palast von Vagan. Zunehmend ungeduldig wartete er auf einen entscheidenden Hinweis, wo Rouven zu finden sein könnte. Es war ein Schock gewesen, als er wie gewohnt den Ostturm hochgeklettert war und die Räume leer vorfand. Er hatte ziemlich schnell herausgefunden, dass Rouven lebte und sich hier im Palast aufhielt. Nun galt es in Erfahrung zu bringen, wohin er gezogen war.
    Die Dienstboten, Mägde und Knechte, die er bis jetzt belauscht hatte, waren nicht hilfreich gewesen, sie hatten fast nur über ihre Arbeit gesprochen. Darum war er in die Küche geschlichen, um zu warten, bis die Adligen bedient waren und die Küchenfrauen sich niederließen, um selbst zu essen und sich auszuruhen und dabei zu tratschen. Mit
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