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Naturgeschichte(n)

Naturgeschichte(n)

Titel: Naturgeschichte(n)
Autoren: Josef H Reichholf
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braucht, weil die Nahrung schon mehr als genug davon enthält.
    Ein Weg, sie loszuwerden, führt über die Haut. Dort sitzen unsere Drüsen und Haarwurzeln. Die Drüsen scheiden die Aminosäuren und bestimmte Fettsäuren aus. Die Bakterien auf der Haut leben davon. Sie erzeugen dabei den Schweißgeruch. Wir würden entsetzlich stinken, gingen all die Aminosäuren, die zum Aufbau der Haare verwendet werden, stattdessen einfach über die Haut nach außen. Bekanntlich haben Säugetiere, die sich von sehr eiweißreicher Kost ernähren, einen starken Haarwuchs oder sie stinken.
    Damit bin ich auf Umwegen schließlich bei unserem Kopf angelangt. Der Mensch hat ja seit dem Wechsel der Ernährung von Pflanzenkost auf Fleisch zumindest zeitweise ein Überangebot an Proteinen, darunter auch viele schwefelhaltige. Diese müssen entsorgt werden. Und zwar möglichst unschädlich. Unser starker Haarwuchs am Kopf macht diese Entsorgung möglich, ohne dass das Kühlsystem des Körpers davon beeinträchtigt wird. Unser Körper, so meine Ansicht, schiebt gleichsam all das, was ursprünglich ins ganze Fell ging, in unser Kopfhaar. Und weil immer neue Eiweißstoffe für die Keratinbildung nachkommen, wachsen unsere Haare beständig nach, bis sich der Stoffwechsel im Alter verlangsamt.
    In der Jugend aber, vor allem bei jungen Frauen, drückt der Haarwuchs aus, dass sie bestens mit Proteinen versorgt sind und gesunde Kinder zur Welt bringen können. Es klingt vielleicht etwas kühn, aber womöglich ist das auch der Grund, dass in manchen Kulturen bei Mädchen und Frauen die Haarpracht verborgen gehalten wird. Andere sollen daraus keine Rückschlüsse ziehen können, denn wie es heißt, die Haare sind das Leben der Frau.

Der Pinguin und der
fast flugunfähige Schwan
    Sind Federn wirklich zum Fliegen da?

    Federn entstanden aus Vorformen in der fernen Vergangenheit der Vögel, lange bevor diese das Fliegen lernten. Wie kann etwas, noch dazu etwas so Kompliziertes wie die Vogelfeder, entstehen, wenn es erst viel später, im fertigen Zustand funktioniert? Die Evolution verfolgt ja kein Ziel, wie die Biologen immer wieder bekräftigen.
    Die Betrachtung der Haare hat eigentlich schon vorgezeichnet, wie wir uns diesem Problem nähern sollten. Sicher entstand die Feder nicht, um einer Seitenlinie der Dinosaurier das Fliegen zu ermöglichen. » Um zu« setzt so etwas wie eine Absicht oder einen Plan voraus. Hätte es einen solchen gegeben, wäre in der Evolution nicht so viel Flickwerk zustande gekommen. Halten wir hier fest: Die Vogelfeder besteht wie das Haar der Säugetiere aus Keratin. Sie ist, gleichfalls wie das Haar, ein totes Gebilde der Haut. Doch während Letzteres aus den Haarwurzeln immerzu nachwächst, fällt die Feder, einmal ausgewachsen, von Zeit zu Zeit aus. Sie wird, wie es heißt, gemausert. Die Mauser ist der Federwechsel der Vögel. Sie hat eine entfernte Ähnlichkeit mit dem Kleiderwechsel der Menschen.
    Nackte Vögel gibt es nicht, wohl aber viele flugunfähige, zum Beispiel die Pinguine. Würden wir Menschen nur in der Antarktis leben, hielten wir sie für » normale« Vögel und solche, die fliegen können, für eine ähnliche Besonderheit wie die Fledermäuse unter den Säugetieren. (In den vielen Millionen Pinguinen steckt, auf ihr gesamtes Lebendgewicht bezogen, mehr Vogelleben als in der vielfältigen Welt fliegender Gefiederter ganzer Kontinente. Also macht das Fliegen den Vogel weniger zum Vogel, als man gemeinhin denkt.) Alle Vögel aber, auch die Pinguine und der größte der gegenwärtig noch lebenden Vögel, der afrikanische Strauß, tragen Federn. Wir können daher ganz einfach sagen: Was Federn hat, ist ein Vogel. Selten genug lässt sich eine ganze Tiergruppe, noch dazu eine so artenreiche und vielfältige wie die Vögel, über ein einziges Merkmal so eindeutig kennzeichnen.
    Bei den Säugetieren geht das nicht. Früher wurde zwar vorgeschlagen, sie » Haartiere« zu nennen, aber nicht alle Säugetiere tragen Haare. Auch das Säugen, das Trinken von Muttermilch, ist eine Hilfslösung, denn etwa die Tauben, zweifellos Vögel und keine Säugetiere, füttern ihre Jungen mit Kropfmilch.
    Die Feder ist also wirklich etwas ganz Besonderes. Interessanterweise pflegen wir dabei immer von » der Feder« zu sprechen, fassen damit aber ganz unterschiedliche Formen von Federn zusammen. Die Daunenfedern, die wir als Füllung für wärmende Federbetten benutzen, sehen ganz anders aus als die Flugfedern ausgewachsener
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