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Nathaniels Seele

Titel: Nathaniels Seele
Autoren: Britta Strauß
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nicht?“
    „Nein.“
    Hazlewood spitzte seine fleischigen Lippen und nickte einige Male. „Die Abstoßreaktion meines Blutes auf deines war bei Weitem nicht so heftig, wie wir erwartet hatten. Verwunderlich, wenn man bedenkt, dass sich beide Elixiere um Welten voneinander unterscheiden. Das Rätsel ist vielleicht leichter zu knacken, als ich befürchtet hatte.“ Hazlewood massierte mit einer Hand sein Knie. Der Schatten großen Schmerzes zog über sein Gesicht. „Die erste Priorität liegt für mich darin, deine Kraft auf mich übergehen zu lassen. Mir läuft die Zeit davon. Ich trachte nach ewigem Leben.“
    „Nichts kann ewig leben“, entgegnete Nathaniel kalt.
    „Aber Auserwählten wie dir ist es möglich, Jahrhunderte zu überdauern.“ Begeisterung funkelte in Hazlewoods Augen und erinnerte ironischerweise an ein Kind, dem offenbart worden war, dass seine Traumgestalten Realität waren. „Für gewöhnliche Menschen stellt das annähernd die Ewigkeit dar. Solange ich nicht weiß, wie ich die Kraft extrahieren und mir einpflanzen kann, werde ich das Gefäß nutzen. Das Leben, das ich zu führen gedenke, ist sehr lang. Es kann nicht schaden, noch einige finanzielle Polster anzuhäufen. Mit diesem kleinen Zauber heute hast du mir übrigens ein paar Millionen Dollar in die Hand gespielt. Ich danke dir.“
    „Das Elixier des Totems? Glaubst du wirklich, es wäre etwas, das man berühren könnte? Etwas Greifbares?“
    „Es überträgt sich von Körper zu Körper, also muss es greifbar sein. Derzeit wird einer der Knochen untersucht. Möglicherweise liegt das Geheimnis nicht in dir, sondern in Woksapas Gebeinen.“
    „Das ist Totenschändung.“ Nathaniel fuhr hoch. Die Macht in seinem Inneren riss so aggressiv an der Hülle aus Fleisch, dass er in den Sessel zurückfiel und alle Konzentration ballte, um den Käfig des Totems aufrechtzuerhalten. Es durfte nicht sein. Noch nicht. Der richtige Zeitpunkt würde kommen, und wenn er kam, würde er seine Befreiung genießen wie niemals etwas zuvor.
    „Du trittst unser Heiligstes mit Füßen. Wie könnte dir jemals etwas gehören, vor dem du nicht den geringsten Respekt besitzt?“
    Hazlewood zuckte die Schultern. „Ich darf dir versichern, dass wir die Gebeine mit größter Sorgfalt behandeln.“
    „Ihr habt sie der Erde entrissen. Und sie mir in einem Sack vor die Füße geworfen.“
    „Man muss es mit der Sorgfalt nicht übertreiben. Komm her. Deine Aufgaben für heute sind noch nicht vorbei.“
    Als Nathaniel sich nicht rührte, deutete der Anwalt auf die Kamera. „Komm her, oder wir probieren ein paar indianische Foltermethoden an deinem Kätzchen aus.“
    Nathaniel stieß die Luft zwischen zusammengebissenen Zähnen aus. Als er zu Hazlewood hinüberging, tauchte ein Lächeln auf dem Gesicht des Anwalts auf, so widerwärtig milde, dass er sich in der Vorstellung verlor, es ihm mit einer Kriegsaxt zu zerteilen.
    „Ich weiß nicht mehr, wie es ist, ohne Schmerzen zu leben“, sagte Hazlewood. „Elf Mal wurde dieses Knie bereits operiert, aber die Schmerzen sind geblieben. Medikamente helfen nur noch ansatzweise oder gar nicht mehr. Ich schlafe seit Jahren kaum, weil sie mich in der Nacht um den Verstand bringen. Schaff sie mir vom Leib, und ich werde mich erkenntlich zeigen.“
    „Erkenntlich?“ Nathaniel spie das Wort angewidert aus.
    „Du wirst mit Josephine reden können. In deinem Zimmer, über die Lautsprecher. Befreie mich von dieser Qual, und ich werde dir zeigen, dass ich mein Wort halte.“
    „Und was nützt es mir, mit ihr reden zu können?“ Nathaniel beugte sich zu ihm hinunter. Niemals wäre es ihm eingefallen, vor diesem Menschen zu hocken oder gar zu knien. Er umfasste das Knie mit beiden Händen, um augenblicklich den fahlen, bitteren Geschmack chronischen Schmerzes zu spüren. „Bring sie zu mir oder mich zu ihr. Dann sehen wir weiter.“
    „Hältst du mich für so dumm? Ich begehe nicht den Fehler vieler Menschen und unterschätze meine Gegner.“
    „Dann lebe weiter mit den Schmerzen.“ Nathaniel zog seine Hände zurück. „Abgesehen davon würden sie ohnehin wiederkommen. Du bist zu fett.“
    „Und du scheinst deine Lage noch nicht realisiert zu haben. Ich habe dich in der Hand. Möchtest du, dass wir dir ihre Nase bringen? Oder ihr Ohr? Oder lieber etwas, dass man damals den Frauen deines Volkes beim Sand-Creek-Massaker abgeschnitten hat, um es an die Sättel der Pferde zu hängen?“
    „Du hast mich in der Hand?“
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