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Nathaniel und Victoria, Band 2: Unter höllischem Schutz (German Edition)

Nathaniel und Victoria, Band 2: Unter höllischem Schutz (German Edition)

Titel: Nathaniel und Victoria, Band 2: Unter höllischem Schutz (German Edition)
Autoren: Natalie Luca
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Siebenhundertneunundneunzig.« So klangen die ersten beiden Wörter in diesem Raum, die ich verstand. Sie kamen aus dem Mund einer – ja, ich konnte endlich ihr Gesicht genauer erkennen – untersetzten Brillenträgerin, mit zugeknöpftem rosafarbenen Hemd und blonder Hochsteckfrisur. Sie trat einen Schritt näher und lächelte mich mechanisch an. Ihre Augenfarbe konnte ich nicht genau bestimmen. So als besäße sie gar keine richtige, nur einen Wirrwarr aus unterschiedlichen Farbtönen, die sich zusammenschlossen und funkelten. Mal grau. Mal grün. Mal weiß. »Freut mich, Sie kennenzulernen«, begrüßte sie mich mit einer hohen Stimme, die mich an die eines kleinen Mädchens erinnerte. »Ich darf Sie willkommen heißen in der Anstalt für Überführer.«
    Albtraum. Ich steckte fest in einem Albtraum. Augen zu. Sieh sie nicht an. Versuch aufzuwachen. Ich wandte mein Gesicht ab und presste meine Lider aufeinander. Gleichzeitig biss ich mir so fest auf die Zunge, dass sie anfing zu bluten. Nein, sie blutet nicht. Das ist alles nicht echt. Du träumst, scheiße, du träumst, was auch immer dein Name ist.
    »Was tut sie denn da?« Die Stimme der Frau kam immer näher. »Sie sieht mich gar nicht an. Was stimmt nicht mit ihr, Boss?«
    Ich vernahm ein tiefes Räuspern, das mir einen Schauer über den Rücken jagte. Daraufhin hörte ich eine tiefe Stimme, die erneut in dieser mir unbekannten Sprache kommunizierte.
    »Ah.« Ein gleichzeitiges Raunen von allen Seiten erklang, als hätte die Stimme eine langersehnte Lösung geboten und mein Verhalten ausreichend erklärt.
    Wieder spürte ich eine Hand auf meiner Schulter, die mich diesmal jedoch vorsichtig tätschelte. »Ist schon gut«, sagte die Frau mit einem tröstenden Tonfall in der Stimme. »Sie brauchen keine Angst zu haben.«
    Angst? Warum sollte ich Angst haben, wenn ich doch nur nackt auf dieser Liege thronte und von allen Seiten befummelt wurde? Nein, ich hatte keine Angst. Überhaupt keine.
    Das wiederholte Räuspern des Bosses – jedenfalls nahm ich an, dass er es war – ließ mich zusammenzucken. Er sprach kurz, woraufhin aus jeder Ecke des Raums wie im Kanon ein knappes »Ja!« zu hören war. Ich schielte rüber und konnte gerade noch sehen, wie sich die schwarzen Umhänge zurückzogen. Einer nach dem anderen verschwand aus dem Zimmer. Geräuschlos, als wäre die ganze Truppe nie dagewesen. Nur die blonde Frau blieb zurück, mit ihrem Klemmbrett in den Händen, das sie nun fester umklammerte, als wäre es ein Rettungsanker. Ihre Augen quollen aus ihren Höhlen hervor, als sie alleine mit mir zurückblieb und mich anblickte. Ein wenig verloren schaute sie sich um, runzelte die makellos glatte Stirn und hüstelte. Dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf mich.
    Blitzartig drehte ich mich weg und schloss meine Augen.
    »Nummer Siebenhundertneunundneunzig«, sagte sie nun schroffer, »bitte konzentrieren Sie sich jetzt auf mich. Dies ist eine wichtige Angelegenheit, über die ich Sie aufklären muss.«
    »Meine Eltern haben mich schon früh aufgeklärt«, zischte ich. Das nahm ich ebenfalls nur an. Ich konnte mich nicht an sie erinnern. An niemanden. Nicht einmal an mich selbst. Ich war nur noch eine nackte Hülle – ohne Vergangenheit. AUFWACHEN!
    »Hm, ach ja? Das muss ich einmal nachsehen.« Ich hörte Papiere rascheln, das mehrfache »Hm!« der Frau und – ja, auch das – das Klopfen meines eigenen Herzens. »Mit vier Jahren, genauer – am siebten August des Jahres Neunzehnhundertvierundneunzig. Ja, stimmt, das ist im Gegensatz zu anderen Kindern früh. Doch ich muss Sie in einer anderen Angelegenheit aufklären, Nummer Siebenhundertneunundneunzig.«
    AUFWACHEN!
    Die Frau trippelte mit offenbar hochhackigen Schuhen davon – das Klick und Klack ließ mich flüchtig aus meinem Widerstand aufschrecken. Ich blickte ihr neugierig hinterher und entdeckte einen Schrank aus Aluminium, der eine ganze Wand auf der hinteren Seite des Raums einnahm. Sich absichernd, drehte die Frau ihren Kopf zu mir um – als könnte ich mich einfach so wegschleichen –, dann zog sie aus ihrer Hosentasche einen klappernden Schlüsselbund.
    Sie öffnete die rechte Schranktür. Ich konnte nun wieder scharf sehen und bemerkte, dass sich hinter der Schranktür eine Armee aus Kleidungsstücken verbarg. Wieder durchforstete sie ihre Unterlagen und murmelte: »Größe Null.« Anschließend zog sie einen Kittel hervor, der aus einem Krankenhaus zu stammen schien. Blassblau. Mit
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