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Nathan der Weise

Nathan der Weise

Titel: Nathan der Weise
Autoren: Textausgabe + Lektüreschlüssel
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(1901 f.) zugesprochen wird, nicht annehmen, dass er etwas Weltbewegendes hören wird. Am Ende aber, als er gefragt wird, ob er sich als der von dem Richter in Aussicht gestellte »weisere versprochne Mann« (2056) fühle, schrickt er zurück: »Ich Staub? Ich Nichts? O Gott!« (2056).
    Der Sultan, der sich in der Rolle des absoluten Herrschers befindet, bittet den bürgerlichen Kaufmann, der zur Gruppe der wenig geachteten Juden gehört: »Aber sei mein Freund« (2060). Von Amtsautorität ist nichts mehr zu spüren. Hier stehen sich zwei gleichberechtigte Diskurspartner gegenüber, von denen der sozial niedriger Stehende die überzeugende Konzeption und die besseren Argumente hat. Im Augenblick ist dieser Kaufmann dem Herrscher sogar in wirtschaftlicher Hinsicht überlegen: Er hat »des baren Gelds« (2068) fast zuviel, während die Kassen des Sultans leer sind. Mag sich am Ende auch die Finanzlage des Sultans wieder verbessern und mag er dann auch sicher als Hausherr auftreten, so wird doch deutlich, dass der Bürgerstand erheblich aufgeholt hat. Der weltgewandte Kaufmann ist kein Untertan mehr. Er ist selbstbewusster Bürger, der wirtschaftlich unabhängig ist, der sich seines eigenen Verstandes bedient und nicht nur philosophisch, sondern auch theologisch mitzusprechen weiß. Er zählt zu jener Schicht der Bürger, die auch die Rolle des Herrschers und die Struktur des absolutistisch regierten Staates zum Gegenstand kritischer Erörterungen machen können und werden.

7. Autor und Zeit
    Gotthold Ephraim Lessing kam am 22. Januar 1729 in Kamenz, einer Stadt in Sachsen von zwei- bis dreitausend Einwohnern, als Sohn des sehr strengen Pastors Johann Gottfried Lessing und seiner Ehefrau Justine Salome Lessing, geborene Feller und Tochter des zuvor in Kamenz amtierenden Pfarrers, zur Welt. Zwölf Kinder werden in der Familie geboren; fünf sterben früh; Gotthold Ephraim ist der zweite Sohn. Der Vater, der gern die Laufbahn eines Gelehrten eingeschlagen hätte, leidet »unter den trüben Verhältnissen seiner zahlreichen Familie, unter der großen Teuerung, der geringen Besoldung, der Erfolglosigkeit, dem Mangel an Aufmunterung«. 24
    Zwölfjährig kommt Gotthold Ephraim auf die Fürstenschule St. Afra in Meißen, ein hoch angesehenes Gymnasium, das vor allem lateinische und altgriechische Autoren nahe bringt. Französisch, Mathematik und deutsche Literatur haben den Rang von Nebenfächern.
    Die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Preußen und Österreich berühren auch Meißen. Der Schulbetrieb wird gestört; die Internatsverpflegung ist nicht mehr gesichert. In dieser Situation erhält Lessing ein kurfürstliches Stipendium und kann im September 1746, jetzt siebzehn Jahre alt, ein Studium der Theologie in Leipzig beginnen. Leipzig ist die Stadt der Kaufleute, der Buchhändler, der Gelehrten, der Literaten und des Theaters, wird als Klein-Paris gelobt und bietet dem jungen Lessing Anregungen unterschiedlicher Art. Für das Studium der Theologie eingeschrieben, besucht er gleichzeitig Vorlesungen in Mathematik und interessiert sich für Literatur und Geschichte. Die Welt des Theaters nimmt ihn gefangen. Er erhält Zutritt zu den Kreisen der Schauspieler, lebt und diskutiert mit ihnen. Große Geltung beansprucht noch immer Johann Christoph Gottsched, Professor für Philosophie und Dichtkunst, der im Jahr 1730 den
Versuch einer critischen Dichtkunst vor die Deutschen
herausgebracht hatte und seitdem als Autorität für Fragen des Theaters galt. In Leipzig hatte sich gleichzeitig eine der bedeutendsten Schauspielertruppen der Zeit niedergelassen, geleitet von Friederike Caroline Neuber, genannt »die Neuberin«, berühmt als Schauspielerin und als Prinzipalin. Der Neuberin reicht Lessing sein erstes Lustspiel –
Der junge Gelehrte
– ein; das Stück des jetzt Neunzehnjährigen wird genommen und erfährt 1748 seine Erstaufführung in Leipzig. Nebenher schreibt der junge Autor Epigramme, lyrische Texte und Fabeln. Zusätzlich beginnt er auf Anraten der Eltern eine medizinische Ausbildung, die ihm einen sicheren Lebensunterhalt garantieren soll.

Gotthold Ephraim Lessing

Kupferstich von Johann Friedrich Bause (1772) nach einem Gemälde von Anton Graff

Das Theologiestudium wird aufgegeben, Leipzig wird verlassen, als Christlob Mylius, ein Vetter, ihm eine Anstellung bei der »Berlinischen Privilegierten Zeitung« verschafft. Lessing zieht nach Berlin, wird Journalist und ist für die nächsten sieben Jahre
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