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Natascha

Natascha

Titel: Natascha
Autoren: Heinz G. Konsalik
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heimatliches Land,
wo hell der Morgen schien auf mich herab,
o grüne Hügel, Strand du voll Blumendüfte,
mein Vaterland, dich seh ich nimmermehr!
Niemals, nein, o nimmermehr …
    Und dann, wie ein Aufschrei, der die Köpfe hochzucken ließ und die Herzen aufriß:
    … der Liebe Traum, er ist zu Grab getragen …
    »Wenn sie gleich umfällt, gibt es einen Skandal!« flüsterte der Regisseur neben dem Inspizienten. Auch der Direktor der Großen Oper Paris stand nun in der Seitenkulisse. Er hatte Schweißperlen auf der Stirn und trocknete sich die Handflächen dauernd mit einem großen seidenen Taschentuch ab.
    »Sie singt sich die Seele weg!« sagte er leise. »Wie kann eine so kleine, zarte Frau das bloß aushalten …«
    Um die gleiche Zeit fast führte Botschaftsrat Galjanow einige schnelle Telefongespräche. Dann legte er zufrieden den Hörer auf und sah auf seine Armbanduhr. In einer Stunde mußte Luka in der Botschaft sein.
    Wenig später fuhren einige Taxis und Privatwagen aus verschiedenen Pariser Bezirken sternförmig zum Place de l'Opéra. Elegante Herren im Frack und Smoking saßen in den Wagen. Ihre Aufgabe allerdings war weniger elegant. In der Pause vom dritten zum vierten Akt der Oper sollten sie sich unter die Besucher mischen. Zu Beginn des vierten Aktes sollte dann ein Pfeifkonzert die Oper unterbrechen und ein Skandal die Vorstellung abbrechen lassen. In der allgemeinen Verwirrung, die sich auch hinter der Bühne ausbreiten würde, sollten dann einige der befrackten Herren in die Garderobe der Tschugunowa dringen und Luka in die Botschaft mitnehmen.
    Es war ein simpler Plan, aber wie alle Terrorpläne wirkungsvoll und sicher. Eine jahrzehntelange Erfahrung bewies es, und Alexei Galjanow hatte keine Zweifel, daß dieser Beweis auch heute erbracht werden konnte.
    Die Schwierigkeit lag allein bei Luka. Es kam darauf an, ihn nicht zu töten, sondern lebend in die Botschaft zu bringen. Aber ein Urwelttier zu fangen war eine Aufgabe, die bisher noch nie gestellt worden war. Galjanow überließ es den Experten der Störabteilung, mit diesem Problem fertig zu werden.
    »Dieses hinkende Riesenschwein?« hatte Fjodor Pleskow, der Leiter der Einsatzgruppe, gesagt. »Als ob das ein Problem wäre, Genossen! Da haben wir schon andere Dinge gelöst.«
    Alexei Galjanow glaubte es nicht so richtig. Aber er schwieg, und jetzt wartete er ab, was geschehen würde.
    Vor der Oper stand eine Reihe Polizei und sperrte die große Freitreppe zum Eingang ab. Als die Herren im Frack und Smoking einzeln vorfuhren und mit eleganten Schritten zur Oper eilten, wurden sie ebenso einzeln in Empfang genommen und in einen ausgeräumten, bereitgestellten großen Raum geführt, in dem sonst die Solotanzgruppe des Balletts übte.
    Fjodor Pleskow sah sich genötigt, sich zu beschweren, und er tat es mit lauter Stimme und unter Berufung auf seinen Diplomatenpaß, den er plötzlich aus dem Frack zog.
    »Der Herr Polizeipräfekt wird gleich selbst kommen«, sagte ein Hauptmann der Polizei und bat die Herren, auf den an den Wänden aufgestellten Stühlen Platz zu nehmen. »Der vierte Akt wird gleich beginnen. Wenn die Oper zu Ende ist, wird der Herr Präfekt –«
    »Ich protestiere!« schrie Pleskow. »Im Namen der Sowjetischen Republik protestiere ich gegen die Freiheitsberaubung eines Diplomaten!«
    »Wir nehmen den Protest zur Kenntnis und bitten Sie, ihn schriftlich an den Quai d'Orsay zu senden.« Der Polizeihauptmann lauschte. In der Oper wurde es still. Es klingelte dreimal. »Der vierte Akt beginnt, meine Herren! Bald sind Sie erlöst.«
    »Ich protestiere nochmals!« schrie Fjodor Pleskow. Auch wenn es keinen Sinn hatte, tat er es. Man konnte später immer sagen, daß man alle Möglichkeiten ausgeschöpft hatte. »Wie kommen Sie übrigens dazu, uns ohne Grund –?«
    »Wir wissen seit zwei Tagen, daß eine Störaktion das Auftreten von Natascha Tschugunowa verhindern soll.«
    »Erlauben Sie! Ich bin …« Pleskow schwieg. Der Polizeihauptmann lächelte zuvorkommend.
    »Nicht alle Russen in Paris sind Sowjets«, sagte er. »Ich möchte sagen, die wenigsten sind es. Aber ihr Vaterland lieben sie trotzdem … Sie verstehen, Monsieur Pleskow?«
    Fjodor Pleskow schwieg. Er sah auf seine Lackschuhe.
    »Grjaß!« sagte er dann leise. (Scheiße!) »Das wird Schwierigkeiten in Moskau geben, Genossen …«
    Der Polizeihauptmann lächelte stumm. Er war der Sohn einer russischen Mutter und verstand die Sprache.
    Als nach einer halben Stunde
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