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Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Titel: Natalia, ein Mädchen aus der Taiga
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Anatolowitsch Ihre Tugend mit Gewalt …«
    »Wer sind Sie?« fragte an dieser Stelle der Geist.
    Tassburg war einen Augenblick lang sprachlos und ratlos zugleich. Sie kann sprechen, durchfuhr es ihn. Das bereichert die Forschung ungemein, aber es wird mir keiner glauben …
    »Ich heiße Michail Sofronowitsch Tassburg, Ingenieur aus Omsk. Ich bin hier, um nach Erdgas zu suchen.«
    »Sie lügen!« Die Erscheinung hob das lange Messer. Es sieht verdammt irdisch aus, dachte er. Das fahle Licht glänzte auf der Schneide. »Sie kommen von Rostislaw Alimowitsch Kassugai.«
    »Das ist ein neuer Name, den kennt nicht einmal der Pope Tigran«, antwortete Tassburg heiser. »Wer ist dieser Kassugai, Gräfin?«
    »Wieso Gräfin?« Die Gestalt rührte sich nicht, nur die Messerspitze zeigte jetzt genau auf Tassburgs Kehle. Wenn sie es versteht, das Messer aus der Hand zu schleudern, bin ich mit meiner Pistole zu spät, durchfuhr es ihn.
    »Man hat mir gesagt, Albina Igorewna …«
    »Sie wissen genau, daß ich Natalia Nikolajewna Miranski heiße. Ein schlechter Schauspieler sind Sie!«
    »Natalia Nikolajewna? Da sieht man, wie sich die Überlieferungen in einhundertfünfzig Jahren verändern! Nichts stimmt mehr!« Michail wollte sich setzen, aber das Messer stieß sofort nach unten. Da blieb er liegen und zog nur den Kopf tiefer zwischen die Schultern.
    »Eine ungewöhnliche Situation, finden Sie nicht auch?« fragte er. »Können wir uns nicht einigen? Ich verschweige Ihren Ausflug in die Welt, und Sie stecken das Messer weg und klammern mich aus Ihrem Männerhaß aus.«
    Wie rede ich bloß, dachte er, als sie schwieg. Vor ein paar Stunden habe ich alle ausgelacht, als sie von dem Geist sprachen, und jetzt liege ich hier und verhandle mit ihm um mein Leben. So etwas gibt es doch nicht! Das stellt doch unser ganzes technisches Zeitalter auf den Kopf!
    »Ich hätte Sie töten können«, sagte Natalia endlich leise. Ihre Stimme war hell, von einer klingenden Klarheit. Sie muß gut singen können, dachte er – völlig widersinnig. Sopran, schwebeleicht …
    »Sie haben ganz fest geschlafen. Sie haben mich nicht gehört. Ich hätte Ihnen die Kehle durchschneiden können, und Sie wären gestorben, ohne etwas zu merken.«
    »Das ist ja eine Spezialität von Ihnen! Oder der Feuerhaken …«
    Sie starrte ihn an, Erstaunen und Abwehr im Blick. »Haben Sie getrunken?« fragte sie dann.
    »Nur Tee, Natalia Nikolajewna.« Er ließ die Pistole los, sie war ja doch sinnlos geworden. Er legte die Hände über die Wolldecke. Das schien sie zu beruhigen. Die Messerspitze senkte sich etwas.
    »Was machen wir nun?« fragte Tassburg, ebenfalls mit der Entwicklung der Situation zufrieden. »Erzählen Sie mir etwas vom Paradies – oder von der Hölle? Ich weiß nicht, wo Sie sich befinden.«
    »In der Hölle.«
    »Ein interessanter Platz. Wen haben Sie dort getroffen?«
    Der Geist, der sich Natalia Nikolajewna nannte, trat einen Schritt zurück. Tassburg atmete auf, die unmittelbare Gefahr war vorbei.
    »Warum haben Sie mich im Schlaf nicht getötet?«
    »Ich weiß es nicht. Ich habe Sie lange angesehen, und dann konnte ich es nicht mehr.«
    »Sie werden also Ihren Grundsätzen untreu, Gräfin!«
    »Warum sagen Sie immer Gräfin zu mir?«
    »Also auch das sind Sie nicht? Tigran wird maßlos enttäuscht sein. Aber Sie stammen doch wenigstens aus Petersburg?«
    »Ich habe Leningrad nie gesehen.« Sie ließ das Messer sinken und musterte ihn mit einem etwas sanfteren Blick. »Und Sie sind wirklich Michail Sofronowitsch Tassburg aus Omsk? Sie kommen nicht von Kassugai?«
    »Ich schwöre es.« Tassburg wagte es, sich im Bett aufzusetzen. »Und Sie? Wo kommen Sie her, wenn nicht aus Petersburg?«
    »Aus Mutorej. Kennen Sie es?«
    »Aber ja, es liegt an der Tschunja. Vor zehn Wochen haben wir dort in der Sowchose Material und Lebensmittel übernommen.«
    »Dann haben Sie auch Kassugai gesehen! Rostislaw Alimowitsch ist der Natschalnik von der Sägewerksbrigade. Ich habe im Bretterlager gearbeitet …«
    Durch Tassburg fuhr es wie ein elektrischer Schlag. »Moment!« rief er rauh. »Einen Moment, mein Mädchen!« Abrupt sprang er auf, stürzte sich auf sie und riß ihr das Messer aus der Hand. Sie schlug um sich, biß und kratzte, aber mit einem Schwung warf er sie auf das Bett und drückte sie mit dem Gewicht seines Körpers nieder.
    Als sie wieder mit der Faust nach ihm schlug, gezielt zwischen seine Augen, fing er den Schlag ab und preßte ihren Arm
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