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Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz

Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz

Titel: Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz
Autoren: Anni Bürkl
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Berenike entgegen gestreckt. »Ariane Meixner. Journalistin.«
    »Freut mich.« Sie schüttelten sich die Hände. Kalt war die der anderen, so kalt. »Und was treibt Sie – ähm, dich hier her, Ariane?«
    »Warum interessiert dich das? Ich bin hier aufgewachsen.« Ariane seufzte tief, ihr Kopf sank in eine aufgestützte Hand. »Aber dann bin ich weg … ich hab es nicht mehr ausgehalten, seit mein Vater … er hat sich umgebracht, weißt du.«
    »Das tut mir leid.«
    »Ist schon mehr als fünf Jahre her. Und trotzdem … Er hat den Druck nicht mehr ertragen, all die Anfeindungen, über Jahre hinweg.« Die Journalistin starrte in ihr Glas. »Seit jeher hat man meine Familie geschnitten.«
    »Das tut mir leid.« Berenike fühlte sich unangenehm berührt von den vertraulichen Worten. So gut sie verstehen konnte, dass jemand an einem Tag wie diesem Anschluss suchte … sie kannte die Frau nicht. Sie nickte ihr bedauernd zu und hielt weiter Ausschau nach der Kellnerin.
    »Weißt du, es ist verrückt … mein Großvater soll ein Mörder gewesen sein. Drum schneiden’s mich bis heute. Siehst eh.« Die Journalistin deutete in Richtung der fröhlichen Stammtischrunde. »Schau wie scheinheilig’s da sitzen. Verrecken sollt’s dran!«, schrie sie unerwartet klar, sprang auf und fuchtelte wild mit einem Arm, dass ihr Schnapsglas ins Schwanken geriet. Im Gastraum wurde es totenstill. Blicke wanderten über den Boden, über die Bilder an den Wänden. Nur einer der Schützen starrte Ariane an, die sich die wilde Mähne aus dem Gesicht strich und damit ihre Frisur noch mehr durcheinander brachte.
    »Beruhig dich«, Berenike legte eine Hand auf den Arm der Anderen, die ihr unwillkürlich leid tat.
    »Nur saufen darf ich hier«, sprach die junge Frau leiser und ließ sich zurück auf den Hocker plumpsen. »Aber sonst verachten’s mich. Meinen Großvater haben’s als Mörder hingerichtet, 1940 war das, lang vor meiner Zeit. Seither tun die Leut, als ob sowas in der Familie läge.«
    »Und – tut es das?«, fragte Berenike betont scherzend, um der Sache die Schärfe zu nehmen.
    »Was denkst du denn?«, schoss Ariane eine Gegenfrage ab.
    Hilflos zuckte Berenike die Achseln. »Sowas ist doch nicht vererblich.«
    »Das sagst du, aber sag das den Ausseern. Dass mein Vater wirklich selbst in den Tod ’gangen sein soll, das glauben’s nicht recht. Meine Mutter is g’storben, als ich noch klein war. Man weiß nicht, woran. Die Leut sagen, in meiner Familie geht’s nicht mit rechten Dingen zu. Dabei hat meine Mutter den Kummer nie verkraftet, den die Oma mit sich herum getragen hat. Sie hat nie mehr über den Großvater geredet, auch nicht, als ich sie danach gefragt hab. Es heißt, dass es Ungereimtheiten beim Prozess gegeben hat. Es ging um Frauenmord. Der Vater vom Pfarrer Stettin hat damals meinen Großvater schwer beschuldigt. Angeblich ohne echte Beweise. Dem Stettin Senior als Nazi haben’s natürlich mehr geglaubt. Wer weiß, was sein Sohn mitbekommen hat. Er war damals 15.«
    »Stettin, Stettin, irgendwoher kommt mir der Name bekannt vor.«
    »Der Engel Osteuropas.« Arianes Stimme triefte vor Hohn, sie verzog die Mundwinkel. »Du hast ihn bestimmt schon im Fernsehen gesehen, wenn er um Spenden bettelt.«
    »Stimmt, jetzt, wo du es sagst. Hat er nicht irgendso eine Stiftung für arme Kinder?«
    »Genau. Das Familienhaus in Sankt Kilian gehört auch ihm. Ich muss wissen, was damals wirklich passiert ist. Ich will, dass der Prozess neu aufgerollt wird und mein Großvater rehabilitiert wird. Mit heutigen Mitteln der Untersuchung kommt man doch sicher weiter, oder?«
    Berenike seufzte. »Ja, sicherlich«, sagte sie und dachte an Jonas. Die Erfindung der DNA-Untersuchungen war mit Sicherheit ein Meilenstein. Aber ob es noch Beweismittel von damals gab? Sie ließ Ariane reden. Vielleicht tat ihr das gut.
    Die Jüngere lachte auf. »Dann kann ich das Gerede endlich widerlegen. Auch wenn’s Grund genug gäb, zum Mordwerkzeug zu greifen.« Sie warf flammende Blicke auf die Anwesenden und wurde wieder lauter. In die plötzliche Stille hinein schrie sie: »Aus dem Verkehr ’zogen g’hört so mancher hier!«
    Der Wirt tauchte hinter der Journalistin auf und klopfte ihr auf die Schulter. »Heut ist Weihnachten, Ariane, komm, sei friedlich. Lass die alten Dramen endlich sein. Magst noch was trinken?«
    Arianes Stimme ging in ein zorniges Schluchzen über. Sie nickte, hielt das Schnapsglas hoch.
    »Ich hätt gern noch einen Liter von
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