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Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz

Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz

Titel: Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz
Autoren: Anni Bürkl
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und zog es mit sich, zurück in den Salon. »Na komm«, redete sie ihm zu, immer wieder, »wir gehen in die Wärme.« Aber was half das alles! Sie drehte sich immer wieder um, Kälte im Rücken, als ob eine Hand aus dem Eis nach ihnen greifen wollte, nach ihnen beiden.
    Plötzlich kraftlos, ließ sich das Kind anstandslos ins Lokal führen. Die Krähe flatterte auf und flog mit lautem Flügelschlag hinter ihnen her.
    Jonas, sie musste Jonas anrufen. Oder einfach die Polizeistation unten in Bad Aussee. Vielleicht war es ein Unfall und sie brauchte Jonas nicht in die Sache hineinzuziehen, wo er doch eben erst abgereist war.
    Berenike schob das Kind vor sich ins Lokal und setzte es auf einen freien Sessel neben der Küche. Sie bat Hans, sich um das Kleine zu kümmern. Die Anwesenden waren bei ihrem Eintreten verstummt, Berenike spürte ihre Blicke im Nacken, als sie in dem kleinen Büro verschwand. Sie machte die Tür zu, doch gleich darauf wurde sie wieder aufgedrückt. Berenike wollte auffahren, aber es war nur Hans. »Du holst dir den Tod, Berenike!« Er drückte ihr eine große Tasse dampfenden Lindenblütentee in die Hand. »Wobei, wenn ich recht überleg, siehst du bereits aus wie der Tod!«
    Berenike sah auf, sah ihn an, nahm dankbar die Tasse und trank einen Schluck. Der Eisklumpen, zu dem ihr Herz geworden war, mochte nicht und nicht schmelzen. Der Tee hinterließ keinerlei Geschmack in ihrem Mund, aber das war so egal. »Ruf die Polizei, bitte«, bat sie Hans, »ich muss mir was Trockenes anziehen. Da draußen ist ein Toter. Im See.«
    Jetzt war es Hans, der starrte, mit offenem Mund, einen Moment nur, bis er gezielte Aktivität verbreitete, nach draußen ging. Sie hörte ihn mit dem Kind sprechen, dann telefonieren. Berenike suchte nach ihren trockenen, warmen Klamotten. Ihre Zähne klapperten.
     
    *
     
    Endlich traf die Funkstreife ein. Die Einheimischen standen zweifelnd herum, einige Touristen beobachteten sie neugierig.
    »Fräulein Berenike!« Der mollige Inspektor Kain, den Berenike von früheren Mordfällen kannte, schälte sich aus dem Einsatzwagen und nickte ihr verkniffen zu. »Du schon wieder!«, rief er unfroh. Dasselbe hätte sie von ihm auch sagen können, verkniff es sich aber. Sie waren irgendwann zum Du übergegangen – wenn sogar Inspektor Kain das tat, war sie wohl langsam zur fixen Größe in Aussee geworden. Nach wie vor sprach der Polizist sie jedoch als Fräulein Berenike an – und sie ihn als Herr Inspektor, wie ganz zu Anfang ihrer Bekanntschaft. Sie wusste mittlerweile von Jonas, dass Kain nie Ehrgeiz gezeigt hatte und deshalb auf dem niedrigen Rang dahin dümpelte. Er wollte Streife fahren im Ausseerland, sonst nichts. Dafür brauchte er keine Fortbildungen.
    »Ich hoff für dich, dass ihr uns zu recht gerufen habt und wirklich was passiert ist.«
    »Da draußen ist ein Toter … im Eis … direkt beim Bootshaus der Feuerwehr.«
    »Meinst wirklich? Man irrt sich so leicht in dem Dämmerlicht.« Fragend blickte er sie an. Berenike zuckte mit den Achseln.
    »Wird sich als harmlos herausstellen, wirst sehen«, sprach er mit seiner tiefen Stimme, die in einer anderen Situation beruhigend auf sie gewirkt hätte. Dabei nickte er ihr wie zum Trost zu und stapfte los. Berenike folgte ihm, um ihm die Fundstelle zu zeigen.
    Dort angekommen, wiegte er einen Moment lang den Kopf, betrachtete das Eis von allen Seiten. »Sperrt’s mir den Bereich lieber großräumig ab!«, wies er dann grummelnd seine uniformierten Kollegen an. »Sicher ist sicher.«
    Scheinwerfer wurden aufgestellt, weitere Einsatzwägen kamen. Ein grauer VW-Bus spuckte die Spurensicherer aus, die sich in ihre weißen Schutzanzüge hüllten und damit gegen den Schnee kaum zu erkennen waren. Große Taschen mit Werkzeug wurden bereitgestellt. Inspektor Kain beugte sich über den weißen Fleck unter dem Eis. »Ich glaub nicht, dass da was ist. Und wenn, dann kann es nur ein Unfall gewesen sein.«
    Berenike ging nach einer Weile zurück in den Salon, um sich einen Schal zu holen. Als sie zurück zu der abgesperrten Stelle am Seeufer kam, bemerkte sie überrascht Jonas neben Inspektor Kain. Dann waren sich die Kieberer also doch nicht so sicher, was hier los war und hatten lieber das Landeskriminalamt verständigt. In eine Lammfelljacke gehüllt, raufte sich Jonas die dunklen Locken und betrachtete mit gerunzelter Stirn das Geschehen. Wenn das Ganze keine Schimäre war. Berenike spürte die Hoffnungen, ahnte deren Enttäuschung,
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