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Narkosemord

Titel: Narkosemord
Autoren: Robin Cook
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bevorstehenden Kaiserschnitts. Sie betrachtete es als ihr persönliches Versagen. Tränen traten ihr in die Augen, als sie ihrem Ärger über die Abwesenheit ihres Mannes Ausdruck gab. Jeffrey hatte Mitleid mit ihr; er war sehr bemüht, ihr zu versichern, daß alles gutgehen werde und daß sie gewiß keine Schuld daran habe. Er gab ihr 5 mg Diazepam intravenös; das würde dem ungeborenen Kind nicht schaden. Auf Patty wirkte es rasch beruhigend.
    »Werde ich bei dem Kaiserschnitt schlafen?« fragte sie.
    »Es wird Ihnen gutgehen«, antwortete Jeffrey ausweichend. »Einer der großen Vorteile einer kontinuierlichen Epiduralanästhesie besteht darin, daß ich sie verstärken kann, wenn wir jetzt einen höheren Spiegel brauchen, ohne daß Patty junior etwas davon mitbekommt.«
    »Es ist aber ein Junge«, erwiderte Patty. »Er heißt Mark.« Sie lächelte matt. Ihre Augenlider waren schwer geworden.
    Man brachte Patty von der Wöchnerinnenstation zum OP-Trakt. Unterwegs behielt sie die Sauerstoffmaske auf dem Gesicht.
    Im OP war man über den bevorstehenden Kaiserschnitt schon informiert. Als Patty ankam, war der Raum für die Operation fast fertig vorbereitet. Die OP-Schwester war bereits dabei, die Instrumente zurechtzulegen. Eine andere Schwester half, die Trage in den OP zu schaffen und Patty auf den Tisch zu legen. Patty war immer noch am Wehenmonitor angeschlossen, und vorläufig sollte das auch so bleiben.
    Mit dem Abenddienst war Jeffrey nicht sehr vertraut, und die eine Schwester hatte er noch nie gesehen. Er las ihr Namensschild: Sheila Dodenhoff.
    »Ich brauche 0,5prozentiges Marcain«, erklärte er, während er Pattys tragbare Sauerstoffflasche gegen die Sauerstoffversorgung an seinem Narcomed-III-Narkoseapparat auswechselte. Dann legte er Patty wieder die Blutdruckmanschette um den linken Arm.
    »Kommt schon«, sagte Sheila munter.
    Jeffrey arbeitete schnell, aber mit Bedacht. Er hakte jeden Vorgang im Anästhesieprotokoll ab, sobald er erledigt war. Im Gegensatz zu den meisten anderen Ärzten hielt Jeffrey sich viel auf seine ausgezeichnet lesbare Handschrift zugute.
    Als er das EKG angeschlossen hatte, legte er das Puls-Oximeter, das den Sauerstoffgehalt des Blutes anzeigt, an Pattys linken Zeigefinger an. Er war gerade dabei, die Kanüle gegen den sichereren Katheter auszutauschen, als Sheila zurückkam.
    »Bitte sehr«, sagte sie und reichte Jeffrey eine 30-ml-Ampulle mit 0,5prozentigem Marcain. Jeffrey nahm das Medikament und warf wie immer einen prüfenden Blick auf das Etikett. Er stellte die Ampulle oben auf seinen Narkoseapparat. Dann holte er aus der Schublade eine 2-ml-Ampulle mit 0,5prozentigem Spinal-Marcain und Epinephrin heraus und zog eine Spritze auf. Er drehte Patty auf die rechte Seite und injizierte die 2 ml in den Epiduralkatheter.
    »Wie läuft alles?« erkundigte sich eine dröhnende Stimme.
    Jeffrey drehte sich um und sah Dr. Simarian, der sich eine Maske vors Gesicht hielt, in der Tür stehen.
    »Wir sind in einer Minute fertig«, sagte Jeffrey.
    »Was macht die kleine Pumpe?«
    »Im Augenblick keine Probleme«, antwortete Jeffrey.
    »Ich werde mich rasch waschen, und dann kann’s losgehen.«
    Die Tür schwang zu. Jeffrey drückte Pattys Schulter, während er das EKG und die Blutdruckwerte studierte. »Alles okay?« fragte er und schob die Sauerstoffmaske zur Seite.
    »Ich glaube, ja.«
    »Sie müssen mir immer sagen, was Sie spüren. Verstanden?« sagte Jeffrey. »Haben Sie ein normales Gefühl in den Füßen?«
    Patty nickte. Jeffrey ging um den Tisch herum und testete ihre Reaktion. Als er wieder ans Kopfende des Tisches zurückgekehrt war und einen Blick auf die Monitoren geworfen hatte, war er sicher, daß der Epiduralkatheter sich nicht verschoben und auch weder den Wirbelkanal noch eine der schwangerschaftsgeweiteten Bateson-Venen durchstoßen hatte.
    Befriedigt griff Jeffrey nach der Marcain-Ampulle, die Sheila ihm gebracht hatte. Mit dem Daumen schnippte er den Verschluß des Glasröhrchens runter. Noch einmal warf er einen Blick auf das Etikett, dann zog er 12 ml auf. Er wollte die Anästhesie mindestens in den Bereich des Nervenversorgungsgebietes des Oberbauchs auf Th 4 erhöhen. Als er die Ampulle aus der Hand legte, fiel sein Blick auf Sheila. Sie stand zu seiner Linken und starrte ihn an.
    »Stimmt was nicht?« fragte Jeffrey.
    Sie sah ihm einen Herzschlag lang in die Augen, machte dann auf dem Absatz kehrt und verließ wortlos den OP. Jeffrey drehte sich um und
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