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Naokos Laecheln

Naokos Laecheln

Titel: Naokos Laecheln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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und ich hätte gerne mit ihr getauscht, wenn es möglich gewesen wäre. Aber was geschehen war, war geschehen, und es stand nicht in meiner Macht, etwas daran zu ändern.
    Es war ein schöner Nachmittag im Mai gewesen. Nach dem Essen schlug Kizuki vor, die Schule sausen zu lassen und Billard spielen zu gehen. Da auch meine Nachmittagsstunden mich nicht besonders interessierten, schlenderten wir hinunter zum Hafen und spielten vier Partien in einem Billardsalon. Nachdem ich das erste Spiel mühelos gewonnen hatte, strengte Kizuki sich plötzlich an und gewann die restlichen drei. Nach dem, was zwischen uns üblich war, hieß das, daß ich zahlen mußte. Während wir spielten, hatte Kizuki keinen einzigen Scherz gemacht, was ihm gar nicht ähnlich sah.
    »Du bist ja heute so ernst«, bemerkte ich, als wir uns anschließend hinsetzten, um zu rauchen.
    »Weil ich heute auf keinen Fall verlieren wollte«, sagte er mit zufriedenem Lächeln.
    Am selben Abend nahm Kizuki sich in der Garage seiner Eltern das Leben. Er hatte einen Gummischlauch auf den Auspuff seines N-360 gebunden, die Fensterritzen mit Klebeband versiegelt und den Motor angelassen. Wie lange es dauerte, bis sein Tod eintrat, weiß ich nicht. Als seine Eltern von ihrem Krankenbesuch bei einem Verwandten zurückkamen und die Garagentür öffneten, um ihren Wagen zu parken, war er bereits tot. Das Autoradio war eingeschaltet, und unter dem Scheibenwischer klemmte eine Tankstellenquittung.
    Es gab weder einen Abschiedsbrief noch konnte sich jemand ein Motiv vorstellen. Als letzte Person, die mit ihm gesprochen hatte, mußte ich eine Aussage bei der Polizei machen. Es habe keinen Hinweis gegeben, erklärte ich dem Polizisten, nein, er sei wie immer gewesen. Der Polizist hatte offenbar sowohl von mir als auch von Kizuki einen schlechten Eindruck gewonnen. So, als wäre es kein Wunder, daß Jungen, die die Schule schwänzten, um Billard zu spielen, anschließend Selbstmord begingen. In der Zeitung erschien eine kleine Notiz; damit war der Fall abgeschlossen. Seinen roten N-360 gab die Familie fort. Auf seiner Bank in der Schule lag eine Zeitlang immer eine weiße Blume.
    Die zehn Monate zwischen Kizukis Tod und meinem Schulabschluß verbrachte ich orientierungslos und meiner Umgebung entfremdet. Ich freundete mich mit einem Mädchen an, schlief auch mit ihr, doch letztlich dauerte die ganze Geschichte nicht mehr als ein halbes Jahr. Mich berührte nichts mehr. Ich schrieb mich auf einer privaten Universität in Tōkyō ein, von der ich wußte, daß bei der Aufnahmeprüfung nicht viel verlangt wurde, und bestand erwartungsgemäß, ohne daß mich das besonders gefreut hätte. Das Mädchen bat mich, nicht nach Tōkyō zu gehen, aber ich wollte Kōbe unter allen Umständen verlassen, um an einem Ort, an dem ich niemanden kannte, ein neues Leben zu beginnen.
    »Jetzt, wo du mit mir geschlafen hast, bin ich dir natürlich egal«, sagte weinend das Mädchen.
    »Das stimmt doch nicht«, widersprach ich. Ich mußte einfach nur fort aus dieser Stadt. Aber wie sollte ich ihr das erklären? Und so trennten sich unsere Wege. Als ich im Expreßzug nach Tōkyō saß und an all die Dinge dachte, die mir an ihr so lieb gewesen waren, überkam mich das Gefühl, ich hätte etwas Schreckliches getan, aber rückgängig machen ließ es sich nun auch nicht mehr, und ich beschloß, das Mädchen einfach zu vergessen.
    Als ich in das Wohnheim zog und mein neues Leben begann, zählte für mich nur noch eins: nicht zu grübeln und Distanz zur Welt zu halten. Den mit grünem Filz bespannten Billardtisch, den roten N-360 und die weiße Blume auf dem Pult – all das mußte ich aus meinem Kopf verbannen. Und auch den aus dem Schornstein des Krematoriums aufsteigenden Rauch und die massiven Briefbeschwerer auf der Polizeiwache, einfach alles. Anfangs schien es auch zu funktionieren. Doch nach einer gewissen Zeit wurde mir bewußt, daß trotz meiner heftigen Anstrengungen so etwas wie ein undefinierbarer Knoten aus Luft in meinem Innern zurückgeblieben war, der mit der Zeit eine schlichte, aber deutliche Form annahm. Ich konnte diese Form sogar in Worte fassen.
    Der Tod verkörpert nicht das Gegenteil des Lebens, sondern ist ein Bestandteil desselben.
    Ausgesprochen klingt das wie eine Binsenweisheit, doch damals empfand ich diese Erkenntnis nicht in Form von Worten, sondern als eben diesen Luftknoten in meinem Innern. Der Tod existierte in Briefbeschwerern ebenso wie in vier roten und weißen

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