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Naechte der Leidenschaft + Berlins Blut

Naechte der Leidenschaft + Berlins Blut

Titel: Naechte der Leidenschaft + Berlins Blut
Autoren: Ivy Anderson
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nicht mehr der eines russischen Zaren. Ein erschöpfter alter Mann zog ein letztes Mal in eine nicht zu gewinnende Schlacht. Sein Schwert war aus Holz, das seiner Gegner aus Stahl. Angst schnürte mir die Kehle zu. Papa würde uns nicht mehr beschützen können.
    Mama sah mir in die Augen und musterte dann meine Erscheinung. Sie hatte offensichtlich einen Entschluss gefasst. Ein eigenwilliger Funke leuchtete in der Trübnis ihres Blickes auf.
    „Geht jetzt bitte!“, forderte sie uns auf. Nur den Zarewitsch drückte sie noch fester an sich.
    Zuletzt wandte sie sich an mich: „Olga, mach dich bereit. Komm in zwei Stunden zu mir. Ich muss etwas mit dir zusammen erledigen. Sei pünktlich!“ ...

    Als ich nach zwei Stunden zurückkehrte, war sie ganz allein. Auch der Zarewitsch war fort. Vor der Tür standen zehn schwer bewaffnete Kosaken unserer Leibwache mit entschlossenen Gesichtern.
    Was bedeutete das? Normalerweise hielten sie sich nicht in diesem Teil des Palastes auf.
    Ohne ein Wort zu sagen und alle Kraft zusammennehmend, erhob Mama sich entschlossen. Ich folgte ihr. Die Kosaken eskortierten uns schweigend. Tür für Tür öffnete sich. Wir stiegen tiefer und tiefer. Noch nie war ich in diesem Teil des Palastes gewesen. Unser Palais war eine der größten Residenzen der Welt.
    Zuweilen versuchte eine der dortigen Wachen uns sogar den Weg zu verweigern.
    Mama sagte dann: „Ich bin die Zarin! Tritt zur Seite oder du stirbst sofort!“ Unsere Leibwache richtete dann jedes Mal die Gewehre auf die Person. Die Kosaken würden schießen. Was ging hier vor?
    So drangen wir im Laufe einer Stunde bis in die Gänge unterhalb der sogenannten Schatzkammern vor. Auch hier gab es noch Wachen. Wir kamen zu einem Tunnel, von dessen Existenz wohl nur ganz wenige wussten.
    Mama hielt inne und wendete sich der Eskorte zu. „Wenn ihr jemals erzählt, dass ihr hier wart, werden eure Familien sterben!“
    Die Leibwachen zuckten mit keiner Wimper.
    Wir kamen nun zu einem Raum, der mit großen Schlössern und einer eisernen Tür verriegelt war. Dort standen erneut zwei bewaffnete Posten.
    „Tretet beiseite!“, befahl meine Mutter herrisch und zog einen Schlüssel aus ihrer Tasche.
    „Das dürfen wir nicht!“, beharrte einer der beiden.
    „Erschießt sie!“ Die Kosaken senkten die Gewehre.
    „Nein! Wir gehorchen!“, bat der Mann mit erschrockenen Augen.
    Mama blickte kurz auf unsere Begleiter: „Nehmt ihnen die Waffen, aber verschont sie noch einmal!“
    Die beiden wurden von unserer Eskorte ihrer Pistolen beraubt. Meine Mutter öffnete den Eingang. Wir traten ein. Alle anderen blieben draußen. Mama schloss sorgsam die Tür hinter uns zu.
    In dem Raum standen vor allem religiöse Utensilien, Ikonen, Leuchter und verstaubte Geschenke von fremden Herrschern aus vergangenen Zeiten. Meine Mutter sah sich um und ging zielstrebig zu einem der Schränke. Sie öffnete diesen, warf die darin enthaltenen Gegenstände achtlos auf den Boden und zog ein geheimes Fach heraus.
    „Nur noch zwei! Wo sind die anderen?“ Ihre Stirn kräuselte sich nachdenklich.
    „Mama, was ist das?“, fragte ich erschauernd.
    Meine Mutter sah mich an.
    „Olga, wir werden alle sterben. Es ist nur eine Frage der Zeit. Rasputin hat sich niemals geirrt. Wenn ich dir das Gefäß hier gebe, ist alles verloren. Beiß mit aller Kraft auf diese kleine Phiole. Sie ist so dünn, dass sie dem Biss nicht standhält. Ihr Inhalt wird zumindest dich retten.“
    Ich verstand gar nichts.
    „Mama, du machst mir fürchterliche Angst. Das ist doch alles nur ein böser Traum. Was ist das? Gift?“
    „Nein, das Gegenteil davon. Es ist deine einzige Hoffnung auf ein Leben.“
    Sie winkte mich ganz dicht heran. Niemand sollte uns hören können. Ihr Mund flüsterte nun in mein Ohr: „Ich sah mit eigenen Augen, dass ein zum Tode Verurteilter, nachdem er erhängt wurde, durch dieses Blut erwachte. Sie mussten ihm darauf den Kopf abtrennen und ihn verbrennen, um das Urteil zu vollstrecken.“
    „Was für Blut? Was sind das für unglaubliche Geschichten?“
    „Sie sind wahr, Olga. Es gibt mehr zwischen Himmel und Erde, als wir sehen. Du hast es bei Rasputin und der Heilung des Zarewitsch selbst beobachten können.“
    Sie beugte ihren Mund erneut zu meinem Ohr herab.
    „Es ist das Blut des einzig bekannten russischen Vampirs. Er wurde vor mehreren Hundert Jahren gefangen, hingerichtet und sein Blut aufbewahrt. Da man im Laufe der Zeit immer wieder an der Geschichte zweifelte,
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