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Nachtwandler (German Edition)

Nachtwandler (German Edition)

Titel: Nachtwandler (German Edition)
Autoren: Jule Becker
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gebe ich zu. „Was ist, wenn ich für immer als Frau leben muss?“
    „Das wäre doch arg unlogisch, meinst du nicht? Du warst ein Junge, als dieser Fluch ausgesprochen wurde. Zwar noch ungeboren, aber ein Junge. Warum solltest du dann endgültig zur Frau werden, wenn der Fluch tatsächlich gebrochen wird?“
    „Ich weiß es nicht“, flüstere ich. Ich habe wirklich panische Angst davor. Jetzt bin ich zumindest nachts ein Mann. Keine Ahnung, was ich tun soll, wenn irgendetwas schief gehen würde.
    „Möchtest du wirklich so weiterleben wie bisher?“, will er wissen.
    „Es ist kein schlechtes Leben“, antworte ich.
    „Aber es könnte sehr viel besser sein. Wann warst du das letzte Mal im Urlaub? Oder auch nur auf einem Konzert? Das Leben geht an dir vorbei, Leo.“
    Im Grunde weiß ich, dass er recht hat, dennoch habe ich keine Ahnung, ob ich in einer Welt leben könnte, in der es keinen ‚Leo‘ mehr gäbe. Es stimmt, seit meinem 16. Geburtstag gibt es für mich viele Dinge nicht mehr, die für die meisten Menschen selbstverständlich sind. Seit ich aber meine männliche Seite kenne, möchte ich mit der weiblichen nichts mehr zu tun haben. Tagsüber führe ich das Dorian und kümmere mich um alles, was mit Buchhaltung und Organisation zu tun hat. Wenn es sein muss, gehe ich einkaufen, ansonsten verbarrikadiere ich mich in meiner Wohnung. Ich beginne, erst mit dem Sonnenuntergang zu leben. Aktivitäten wie Konzerte fallen oftmals flach, insbesondere, wenn die Sonne erst gegen halb zehn abends untergeht. Fitnessstudios, überhaupt sportliche Aktivitäten nur im Winter, wenn die Tage kurz und die Nächte lang sind. Urlaub? Ich weiß noch nicht einmal mehr, wie das Wort geschrieben wird. Ich käme in arge Erklärungsnöte, wenn ich mich in einem Flieger, mitten über dem Atlantik, verwandeln würde. Ja, Felix hat recht, ich kann so nicht weiterleben. Doch wie sähe die Alternative aus, falls diese Fluch-Brech-Geschichte wirklich schief gehen sollte?
    „Du wirst es niemals herausfinden, wenn du es nicht versuchst“, sagt Felix, als ob er meine Gedanken gelesen hätte. Vielleicht hat er das auch. Oder vielleicht kennt er mich ja auch viel besser, als ich dachte.
    Ich sehe Felix lange an, mustere sein Gesicht und bleibe schließlich an seinen Lippen hängen. „Was ist mit dir? Was würdest du tun, wenn es schief geht, wenn es den Leo, den du so heiß findest, nicht mehr gibt, sondern nur noch diese Frau, die ihm ein klein wenig ähnlich sieht?“ Das Herz schlägt mir bis zum Hals.
    Er legt den Kopf schief und mustert mich eingehend. „Natürlich wäre mir deine jetzige Gestalt lieber“, antwortet er. „Es wäre eine Lüge, wenn ich etwas anderes behaupten würde. Aber … versichern wir nicht immer wieder, dass wir uns in einen Menschen verlieben und nicht in das Geschlecht ? Diese Aussage wäre wenig glaubhaft, wenn es nicht auch in die andere Richtung funktionieren würde, meinst du nicht auch?“, flüstert er und streicht mit dem Finger eine Haarsträhne aus meinem Gesicht.
    Ich senke die Lider und hole tief Luft. Seine Worte treiben mir Tränen in die Augen und ich schlucke verzweifelt dagegen an. Dann lege ich meine Hand in seinen Nacken und ziehe ihn näher. Zunächst ist es nur meine Stirn, welche die seine berührt. Dann schließe ich die Augen und hole tief Luft. „Es wird mein erster richtiger Kuss sein“, erkläre ich ihm leise. Mein Herz klopft so stark, dass es ihm eigentlich gleich in die Arme springen müsste. „Ich hab Angst.“
    „Ich weiß“, gibt er ebenso leise zurück. Ich lege den Kopf etwas schief, weil meine Nase irgendwie im Weg ist, und dann tue ich es einfach – ich presse meine Lippen auf die seinen. Im ersten Moment bin ich total überfordert. Das hier ist etwas, das ich noch nie in meinem Leben gemacht habe. Vielleicht mache ich ja alles total falsch! „Nicht nachdenken, lass es einfach geschehen“, flüstert Felix an meinen Lippen. Dann öffnet er die seinen einen Spalt breit und schiebt die Zunge hindurch. Sanft streicht er damit über meinen Mund. Ich bekomme eine Gänsehaut, dann schlinge ich beide Arme um ihn und ziehe ihn ganz dicht zu mir heran. Zwischen uns würde noch nicht einmal mehr ein Blatt Papier passen. Ich öffne den Mund und komme Felix mit meiner eigenen Zunge ungestüm entgegen. Es gefällt mir – oh und wie es mir gefällt! Dieser Kuss dauert gerade einmal ein paar Sekunden und ich bin jetzt schon völlig süchtig danach.
    Etwas atemlos lösen wir
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