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Nachts kommt die Angst: Psychothriller (German Edition)

Nachts kommt die Angst: Psychothriller (German Edition)

Titel: Nachts kommt die Angst: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Gabriela Gwisdek
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Eigenschaften von Marcel zu erstellen. Zu ihrem Erstaunen war sie nicht weit gekommen, aber das, was letztlich auf dem Zettel stand, hatte ausgereicht, sie davon zu überzeugen, das Richtige zu tun. Nun trennten Nina und sie nicht nur sechshundert Kilometer Autobahn, sondern auch ihr nicht vorhandener Führerschein und laut Aussage ihres neuen Vermieters ein Haus ohne Festnetzanschluss. Dennoch dachte sie, dass, wenn sie erst einmal da war, schon alles gut werden würde.
    Wenn, ja, wenn …! Eine Enttäuschung mochte sie sich nicht ausmalen, schon gar keinen Rückzug. Nina hatte ihr zwar eindringlich von diesem Haus abgeraten, aber die Bilder im Internet und der niedrige Mietpreis hatten Alexandra überzeugt. Einhundert Quadratmeter Wohnfläche, dazu ein Hektar Land, ein Weiher mit altem Baumbestand und absolute Ruhe klangen wie das Paradies. Sie würde malen, malen und malen!
    Alexandra spürte plötzlich, dass sie beobachtet wurde. Langsam tastete sich ihr Blick die Sitzreihen entlang, aber der überwiegende Teil der Reisenden war damit beschäftigt, dem jeweiligen Gegenüber die Geschehnisse am Gleisbett zu kommentieren, der Rest döste vor sich hin. Die Polizei hatte inzwischen rechts und links des Zuges Scheinwerfer aufgestellt, so dass die Umgebung in gleißendes Licht getaucht war. Eigentlich liebte sie die Mischung aus Kunstlicht und schwachem Tageslicht und die daraus entstehenden absonderlichen Schattenwürfe, dieses hier allerdings wirkte gespenstisch. Hinzu kam der nicht auszublendende Grund des Haltens.
    Voller Unbehagen stand Alexandra auf und verließ das Abteil.
    Vom grellen Licht geblendet, schirmte sie die Augen mitder Hand ab und warf einen Blick aus dem Fenster der Zugtür. Sie stand jetzt unmittelbar über der Unglücksstelle.
    Die Beamten hatten den Torso der Verunglückten unter dem Zug hervorgezogen und ihn mit einem weißen Tuch bedeckt. Seltsam klein zeichneten sich die Umrisse des Körpers unter dem Laken ab. Unmittelbar daneben lagen der Kopf und die Füße unter separaten Tüchern, was die Grausamkeit des Bildes enorm verstärkte.
    Wie vorhersehbar, wie spürbar ist das nahende Ende? Verließe man, wenn man es erahnen könnte, an jenem Tag das Haus? Gibt es ein vorbestimmtes Schicksal, oder ist es nicht vielmehr eine zufällige Begegnung mit dem Tod? Alexandra schauderte bei dem Gedanken, dass diese Frau vielleicht am Morgen noch die Post ins Haus geholt, den Kindern das Frühstück bereitet und ihren Mann verabschiedet hatte. Danach war sie losgegangen, um ihrem Leben ein Ende zu setzen. Irgendetwas hielt Alexandra davon ab, sich abzuwenden und zurück in ihr Abteil zu gehen. Wie unter Zwang starrte sie nach draußen.
    Dann sah sie ihn. Mitten in der Menge geschäftiger Polizeibeamter schien ein unsichtbarer Fokus plötzlich auf ihn gerichtet. Sie schätzte ihn auf Mitte dreißig, markant geschnittene Züge, dunkelblondes schulterlanges Haar, die Polizeimütze lässig nach hinten geschoben. Selbst aus der Entfernung meinte sie, stahlblaue Augen zu erkennen.
    Er unterschied sich in nichts von den anderen, einzig seine Bewegungslosigkeit war es, die ihn in diesem Moment besonders machte. Er stand da und sah sie an. Sekunden vergingen, dann wandte er sich abrupt ab.
    Als hätte sie ein Gespenst gesehen, schüttelte Alexandra den Kopf und ging langsam zu ihrem Platz zurück. Den Rest des Haltes verbrachte sie damit, mit teilnahmslosem Blick den Beamten beim Abtransport des Leichnams zuzuschauen. Den jungen Mann sah sie nicht mehr.

2.
    Der Himmel musste sich entschlossen haben, den ausgebliebenen Regen der letzten Wochen genau in dem Moment auszuschütten, als Alexandra den Bahnsteig von Eberswalde betrat. So war sie bereits bis auf die Haut durchnässt, als sie, am letzten Waggon angekommen, lautstark gegen die Tür hämmerte. Zu ihrem Erstaunen wurde sie prompt geöffnet, und ein freundlicher Bahnbeamter kletterte umständlich mit Alexandras Fahrrad auf den Bahnsteig. Der Weg zurück gestaltete sich schwieriger als gedacht, denn viele der Fahrgäste schienen schon ungeduldig erwartet worden zu sein, so dass der schmale Bahnsteig restlos überfüllt war. Alexandra hatte Mühe, sich mit dem Fahrrad einen Weg durch die Menge zu bahnen.
    Vor dem Bahnhof dagegen herrschte gähnende Leere. Eigentlich hatte sie vorgehabt, die letzten Kilometer mit dem Fahrrad zurückzulegen, aber da war sie noch davon ausgegangen, am späten Nachmittag anzukommen. Jetzt war es kurz nach acht, es regnete in
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