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Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin

Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin

Titel: Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin
Autoren: Ulrike Schweikert
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Stimme. »Das Rad des Schicksals lässt seinen Lauf nicht aufhalten. Ich nehme an, es gibt einen triftigen Grund, warum Raika dich heute in mein Haus geführt hat?«
    Lorena hatte noch Raikas Warnung im Kopf, doch sie spürte, wie ihr Blick unwillkürlich über den dunklen Parkettboden auf den Sessel zuglitt, aus dessen Tiefen die Stimme kommen musste. Er wanderte über bestickte Schuhspitzen und den Saum eines altmodischen, langen Brokatkleids, dessen dicker, steifer Stoff die Formen darunter nur undeutlich erahnen ließen. Ihr Blick gelangte bis über die Knie und verharrte auf den Händen, die locker gefaltet im Schoß lagen. Es waren lange, schmale Finger, fast knochig, die Haut weiß und ein wenig knittrig wie Pergament. Ein großer Siegelring zierte ihre linke Hand. Sie wollte mehr von dieser Frau sehen, deren Macht sie wie eine knisternde Aura umhüllte, doch sosehr ihre Neugier sie auch trieb, es gelang ihr nicht, ihren Blick weiter zu heben. Es war ihr, als dringe ein Lachen durch ihren Geist. Es klang nicht unfreundlich, und dann, plötzlich, als sie schon bereit war, ihren Blick wieder bis zu den Fußspitzen zu senken, war der Widerstand verschwunden. Es war gar, als würde sie eine Einladung erhalten.
    Verblüfft starrte Lorena in Myladys Gesicht. Es war alterslos. Die porzellanartige Haut spannte sich über schmale Gesichtsknochen. Keine Falte verriet die Jahre, obgleich klar war, dass es schon sehr alt sein musste. Ihre Lippen waren schmal und farblos, die fein geschwungenen Brauen und Wimpern weiß wie ihr Haar, und selbst ihre Augen hatten keine eigentliche Farbe, sondern waren von einem Stahlgrau. Lorena ahnte, wie hart ihr Blick daraus sein konnte.
    Und plötzlich hatte Lorena das Gefühl, diese Gestalt keinen Augenblick länger ansehen zu können, und senkte daher die Lider, bis sie nur noch den Saum ihres Kleides sah.
    »Nun, mein Kind, was führt dich zu mir?«
    Lorena holte tief Luft, dann stieß sie sie mit den Worten zusammen hervor: »Ich will endlich alles wissen!«
    Die Lady schien zu schmunzeln. »Das könnte ein wenig dauern. Ich schlage vor, du setzt dich hier zu mir, dann können wir über alles reden.«
    Lorena ließ sich auf der Kante des Sessels nieder, der vermutlich schon Jahrhunderte hatte kommen und gehen sehen.
    »Nein, Raika, du kannst dich zurückziehen!«, fügte die Lady scharf hinzu, als diese sich ebenfalls in einem der Sessel niederlassen wollte.
    Beleidigt trat Raika den Rückzug an und entschwand in die Halle. Der Butler wollte die Tür hinter ihr gerade wieder schließen, als eine andere Gestalt in den Salon der Lady trat.
    Lorena sah zuerst den strengen Hosenanzug und das dunkle, bereits ein wenig ergraute Haar, das zu einem strengen Knoten geschlungen war. Hinter ihr erkannte sie noch eine Frau, ein wenig kleiner, aber sicher ebenso alt. Sie war ebenso schlank und streng gekleidet, ihr Haar allerdings blond und ihre Augen grün. Sie waren Nachtmahre, kein Zweifel.
    »Mylady«, begann die erste, doch dann blieb sie wie angewurzelt stehen. Ihre blauen Augen weiteten sich, und sie verstummte.
    Lorena starrte zurück. Wie unter Zwang erhob sie sich und wankte zwei Schritte auf die Unbekannten zu.
    Aber waren sie denn Unbekannte? Diese Gesichter, diese Augen …
    Zwei hochgewachsene schwarze Gestalten standen oben an der Treppe.
    »Audry«, stieß sie hervor, obwohl sie nicht wusste, warum. »Chloe.«
    Sie sah, wie die beiden zusammenzuckten. Dann standen sie einfach nur da, ohne sich zu bewegen oder auch nur mit den Wimpern zu zucken, während in Lorenas Kopf ein Sturm losbrach. Bilder stürmten auf sie ein. Bilder, die so lange am Grund der Finsternis verborgen gewesen waren.
    Ich war nach Hause gekommen, die Tür stand offen. Im Haus war es dunkel, aber dann hörte ich Stimmen. Ich rannte in die Diele. Meine Augen durchdrangen die Dunkelheit. Mein Blick huschte die Treppe hinauf, bis er auf drei Gestalten traf. Eine davon war meine Mutter. Die anderen waren Fremde. Hochgewachsene Frauen in strengen, dunklen Anzügen.
    »Ich lasse es nicht zu, dass Sie mir meine Tochter nehmen! Nicht auch noch Lorena!«
    Was ging da vor sich? Meine Mutter stürzte sich auf die beiden, die versuchten, sie festzuhalten.
    »Es wurde so entschieden«, ertönte eine Stimme kühl. »Chloe, halt sie fest, ich suche Lorena.«
    »Nein!«, hörte ich meine Mutter schreien. Der Instinkt, der eine Mutter, die um ihr Junges kämpft, zur Löwin werden lässt, verlieh ihr ungewohnte Kräfte. Sie riss
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