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Nachtkalt: Psychothriller (German Edition)

Nachtkalt: Psychothriller (German Edition)

Titel: Nachtkalt: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Mark Franley
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zum Leben und tauchte alles in ein gedämpftes Licht. Wie erwartet war niemand da, der hinter dem Sofa hervorsprang und sich auf sie stürzte. Und nicht nur hier war niemand, auch das Schlafzimmer und das Bad waren leer und alles war genauso, wie sie es mittags verlassen hatte.
    Wie unkonzentriert sie im Augenblick war, wurde ihr eine halbe Stunde später erneut bewusst, als ihr einfiel, dass sie die Tür nicht wieder von innen verschlossen hatte, was sie sonst jeden Abend gewissenhaft tat.
    Da im Fernsehen gerade nur Werbung lief, erhob sie sich mit sich selbst schimpfend vom Sofa und ging zur Wohnungstür. Automatisch nahm sie den Schlüsselbund vom Haken, verschloss die Tür und wollte sich gerade wieder abwenden, als ihr Blick auf den Spion fiel. Obwohl durch die sehr hellhörige Tür nicht das leiseste Geräusch zu hören war, schien im Hausflur Licht zu brennen. Kurz hin und her gerissen, drückte sie ihr Auge vor das kleine Loch und sah gerade noch, wie sich die Aufzugtüren am anderen Ende des Hausflurs schlossen, sonst war alles still und verlassen.
    Waren das alles Zufälle oder folgte ihr jemand? Ihr Magen zog sich zum zweiten Mal an diesem Tag zusammen, jetzt allerdings nicht durch Florian verursacht. Einen Augenblick lang dachte sie daran, ihn anzurufen, aber für eine gemeinsame Nacht war es ihr deutlich zu früh und auf das Sofa wollte sie ihn nicht verweisen.
    Das Licht im Hausflur erlosch und auch sonst blieb alles ruhig. Anja beschloss, sich geirrt zu haben, konnte sich aber den restlichen Abend nicht einmal mehr auf das Fernsehprogramm konzentrieren. Es war gerade einmal 21 Uhr, als sie sich umzog, in ihr Bett legte und versuchte nur noch an Florian zu denken, was für ein leichtes Ziehen in ihrem Unterleib sorgte. Nach einigen weiteren, ziemlich intensiven Gedanken schaffte sie es irgendwann, in einen unruhigen Schlaf zu finden, der jedoch absolut nichts mit irgendeinem Schrecken zu tun hatte.

8
    Gerald saß wie so oft an dem Esstisch in der großen Wohnküche und deutete abwechselnd auf die beiden Fotos seiner Schwestern, die auf dem Fensterbrett standen. Mit jedem Fingerzeig murmelte er abwechselnd ihre Namen, wobei ihm bei Anja immer ein kleines Glucksen entfuhr und er bei Nora einen verzückten Gesichtsausdruck bekam. Den dünnen Speichelfaden, der ihm seitlich aus dem Mundwinkel herunterlief, schien er entweder nicht zu bemerken, oder sein gefangener Geist hatte beschlossen, diesen zu ignorieren. Nachts, wenn er schlief, war Gerald optisch ein normaler 17-Jähriger, doch sobald die Sonne aufging, war sein Autismus nicht mehr zu leugnen.
     
    Wie auch an diesem Montagnachmittag, er war gerade aus der Werkstatt für Behinderte zurückgekommen, stand seine Mutter oft einfach nur da und versuchte sich vorzustellen, was sich hinter seinen geistigen Mauern abspielen mochte. Doch wie so oft blieb er für sie verschlossen, eingetaucht in eine Welt jenseits des normalen Verstandes. Im Gegensatz zu ihm schaffte sie es, sich von den Bildern ihrer beiden Töchter loszureißen und einen Blick auf die Uhr zu werfen. Es half alles nichts, sie musste los und auch wenn sie es nicht gerne tat, Gerald musste sie heute für eine Stunde alleine zuhause lassen. Bisher hatte ihre Rente immer einigermaßen gereicht, um das Haus zu halten, doch die Preiserhöhungen der letzten Jahre zwangen sie nun dazu, sich etwas dazuzuverdienen.
    »Gerald«, versuchte sie es zunächst in normaler Lautstärke, doch er wechselte nur zum anderen Foto und murmelte dabei den Namen seiner Schwester.
    Ruth verdrehte innerlich die Augen, setzte sich neben ihren Sohn und nahm seinen Arm, worauf er kurz innehielt, den Kopf drehte und sie erstaunt ansah. Wie immer, wenn er es mit einem echten Menschen zu tun hatte, zeigte sich in seiner Mimik keinerlei Gefühlsregung. Es war völlig egal, wer vor ihm stand, er betrachte Freund und Feind mit einem absolut identischen Gesichtsausdruck. Im Gegensatz dazu schienen Fotos wie eine Art Schlüssel zu wirken. Einmal hatte er ein Gruppenfoto seines Lehrjahres wutentbrannt gegen die Wand geschmissen, da darauf offensichtlich jemand zu sehen gewesen war, den er absolut nicht leiden konnte.
    Ruth dachte natürlich nicht weiter darüber nach; sie wusste, dass sein Gesichtsausdruck auf keines seiner Gefühle schließen ließ. Mit fester Stimme sagte sie: »Weißt du noch, über was wir vorhin gesprochen haben? Ich muss dich heute kurz alleine lassen, um zu diesem Vorstellungsgespräch zu gehen«, nun sah
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