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Nachtjaeger

Nachtjaeger

Titel: Nachtjaeger
Autoren: J. T. Geissinger
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bleich geworden. Er kniete sich auf den Boden vor sie hin und fasste nach ihren Händen, um diese festzuhalten. »Wie kannst du so etwas glauben? Wie kannst du annehmen, dass ich dir wehtun will?«
    »Weil du …«, begann sie langsam und blinzelte unsicher. »… weil du es selbst gesagt hast. An jenem Abend bei der Ratsversammlung. Du hast gesagt …«
    »Ich habe dich gefragt, ob du mir etwas zu sagen hättest«, unterbrach er sie, ehe sie zu Ende sprechen konnte. »Du hasst es, herumkommandiert zu werden. Das hast du mir selbst erklärt. Ich hatte gehofft, dass du aufhören würdest, dich vor mir zu verstecken, dass du aufhören würdest, Geheimnisse vor mir zu haben. Ich wollte dir nur die Chance geben, es mir freiwillig zu sagen. Du warst immer so trotzig, immer so eigenwillig. Ich wollte dich zu nichts zwingen – nicht mehr. Ich wollte nur, dass du etwas vor mir zugibst, was ich bereits wusste …«
    »Das du bereits wusstest?« Sie löste die Hände aus den seinen. Die Wolldecke rutschte herab und legte sich um ihre Füße. Sie stieg darüber hinweg, ging zum Bett und setzte sich aufrecht, ja geradezu starr auf den Rand der Matratze.
    Ihre Stimme klang seltsam und wackelig. »Was soll das heißen? Was genau hast du bereits gewusst?«
    Auch Leander erhob sich. Sein Herz pochte wild in seiner Brust. »Was du bist. Wer du bist.«
    Sie wandte ihren Kopf nur um wenige Millimeter zur Seite, sodass er ihr Profil sehen konnte. Geschürzte Lippen, gerötete Wangen, lange, geschwungene Wimpern. Ihre Finger vergruben sich in dem Pelzüberwurf, der sich auf dem Bett befand.
    »Und wer soll das sein, Leander?«, erkundigte sie sich steif.
    Mit langsamen, gemessenen Schritten kam er auf sie zu, ohne den Blick von ihrem Gesicht abzuwenden. Der Duft nach Rosen und nach ihr stieg ihm warm in die Nase, und das Licht der untergehenden Sonne durchflutete jetzt das Zimmer. Ihre Haare schienen zu lodern. Er blieb vor ihr stehen und legte einen Finger unter ihr Kinn. Sie sah ihn an.
    Jenna hob die Augen, und ein Sonnenstrahl fiel über ihr Gesicht. Der Strahl ließ ihre Iriden smaragdgrün leuchten, als ob er sich in den Prismen eines Edelsteins brechen würde.
    »Also …«, flüsterte sie. »Wer bin ich?«
    »Du bist Königin der Ikati«, murmelte er, ohne den Blick von ihr abzuwenden. »Meine Königin. Mein Herz und meine Seele … Meine wahre Liebe.«
    Ihre Lippen öffneten sich. Sie blinzelte nicht und sprach auch kein Wort.
    »Du bist die Frau, auf die ich mein ganzes Leben lang gewartet habe. Die Frau, für die ich ein besserer Mann werden will und von der ich glaube, dass ich mit ihr endlich der Mann sein kann, der ich schon immer sein wollte.«
    Er setzte sich neben sie auf die Matratze und umfing ihr Gesicht mit beiden Händen, sodass sie sich ihm ganz zuwenden musste. »Du bist alles, was ich jemals wollte. Und die Vorstellung, dass du gehen wirst, dass du nur darauf wartest, bis du kräftig genug bist, um von hier fortzugehen – diese Vorstellung bringt mich um.«
    Jenna starrte ihn an. Ihr Mund stand offen, und sie war bleich wie ein Laken. Das Feuer im Kamin knisterte leise. Ein Holzscheit fiel herab. Irgendwo draußen begann eine Nachtigall zu singen.
    »Und ich«, brachte sie schließlich über die Lippen und blinzelte, um die Tränen, die ihr in die Augen getrieben waren, zu vertreiben, »ich dachte, dass ich gar nicht von hier weg darf.« Sie senkte den Blick, doch er sah noch das winzige Lächeln, das ihr über die Lippen huschte.
    »Ganz im Gegenteil.« Er erlaubte sich, ebenfalls zu lächeln. »Der Königin ist eine überraschend große Anzahl von Freiheiten gestattet.« Er nahm ihr Handgelenk und führte es an seine Lippen, ehe er ihre Hand auf seine Wange presste.
    Nun schenkte sie ihm ein richtiges Lächeln. »Da ist schon wieder dieses Wort«, sagte sie, die Augen noch immer nach unten gerichtet. »Ich glaube nicht, dass ich diesen Titel haben möchte.« Sie hielt inne. »Jedenfalls verdiene ich diesen Titel nicht.«
    »Der Rat findet schon, dass du ihn verdienst«, sagte er. Er strich mit seiner Wange über ihren Unterarm bis zu ihrer Ellbogenbeuge, wobei er tief den Duft ihrer Haut in sich einsog. Dann verfolgte er den gleichen Weg zurück zu ihrem Handgelenk, diesmal jedoch mit Küssen.
    Jenna blickte überrascht auf.
    »Es kam zu einer Abstimmung, wobei mehrere wichtige Dinge berücksichtigt wurden. Zum einen ist da die Frage deiner Abstammung. Du hast ein sehr mächtiges Erbe. Da dein Vater der
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