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Nachthaus

Nachthaus

Titel: Nachthaus
Autoren: D Koontz
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langen Nordhang des Shadow Hill erklommen hatten, erschrocken einen Schritt zurück, als die erste nasse Salve gegen die Fensterscheiben schlug, als sei der Regen, den man irrtümlich für nichts weiter als ein Wetterphänomen hielt, ein böswilliger Angreifer, der es auf ihn persönlich abgesehen hatte. Die Stadt verschwamm, der Tag schien dunkler zu werden und die versilbernde Wirkung der Wohnzimmerlampe machte das Fenster zu einem schwachen Spiegel. In der nassen Glasscheibe war sein Gesicht durchscheinend und es fehlte ihm an ausreichenden Einzelheiten, als sei es nicht sein Spiegelbild, sondern müsse stattdessen das Gesicht eines anderen sein, das bleiche Antlitz von etwas, das nicht ganz und gar menschlich war, eines Besuchers aus einer okkulten Sphäre, die durch die Kraft des Unwetters vorübergehend mit dieser Welt in Verbindung stand.
    Kantige Blitze spalteten den sich verdüsternden Tag und Silas wandte sich vom Fenster ab, als Donnerschläge auf den Himmel einhieben. Er ging in die Küche, wo die Leuchtstofflampen unter den Hängeschränken die Arbeitsflächen aus goldenem Granit leuchten ließen und wo alle anderen Lichter ausgeschaltet waren. Seine Unterlagen über das Pendleton lagen auf dem Tisch in der Essecke verstreut: Zeitungsarti kel, Fotokopien von Dokumenten aus Staatsarchiven, schriftliche Protokolle der Befragungen von Menschen, die behaupteten, vor 1974 Erfahrungen mit dem Gebäude gemacht zu haben, und Fotokopien der elf Papierschnipsel, die von einem handgeschriebenen Tagebuch übrig waren, das Andrew North Pendleton unmittelbar vor seinem Selbstmord vernichtet hatte.
    Jedes der Blätter, die nicht in Flammen aufgegangen waren, stellte ein unvollständiges Fragment von Pendletons Notizen dar und jedes war an den Rändern braun und angesengt, da er das Tagebuch im Kamin seines Schlafzimmers verbrannt hatte, ehe er sich den Lauf einer Schrotflinte in den Mund gesteckt und eine tödliche Mahlzeit aus grobem Schrot zu sich genommen hatte. Jeder der elf kurzen Prosatexte war faszinierend und schien darauf hinzuweisen, Andrew Pendleton hätte eine so außergewöhnliche Erfahrung gemacht, dass man sie schon als jenseitig bezeichnen konnte. Aber vielleicht hatte ihn in den letzten Stadien seines Wahnsinns auch nur eine Demenz geplagt, die ihn Albträume und Halluzinationen irrtümlich für Erinnerungen an reale Ereignisse halten ließ.
    Unter den elf Fetzen Papier, die den Brand halbwegs überstanden hatten, wandte sich Silas am häufigsten einem kryptischen, verstörenden Fragment über Pendletons Tochter Sophia zu, die bei ihrem Verschwinden sieben Jahre alt gewesen war. Die Worte und all ihre möglichen Bedeutungen verfolgten ihn so beharrlich, dass er sie sich eingeprägt hatte: … und ihre einst rosige Haut grau, ihre Lippen so grau wie Asche und ihre Augen wie Rauch, ein humorloses, eisengraues Grinsen, nicht mehr meine Sophie und ihr mit jedem Moment unähnlicher.
    Andrew Pendletons Verlust seiner Familie war nicht die einzige Tragödie in der Geschichte des prachtvollen Hauses. Der zweite Besitzer, Gifford Ostock, Alleinerbe eines beträchtlichen Vermögens, das im Steinkohlebergbau und der Anfertigung von Kohlenwagen für die Eisenbahn zusammengekommen war, lebte von 1905 bis 1935 im Belle Vista und ließ es sich dort richtig gut gehen. Doch eines Nachts im Dezember ’35 schlachtete der Butler Nolan Tolliver die Familie Ostock und das gesamte Personal, das im Haus wohnte, ab, ehe er sich selbst das Leben nahm. Tolliver hinterließ eine unzusammenhängende handschriftliche Notiz, in der er behauptete, sie ermordet zu haben, um »die Welt vor dem ewigen Dunkel zu bewahren«, und obwohl er die Verantwortung für sämtliche sechzehn Morde übernahm, wurden acht der Toten nie gefunden. Bis dato war unbekannt, wie Tolliver die Hälfte seiner Opfer beseitigt hatte und warum er sich der anderen acht nicht gleichermaßen entledigt hatte.

5 Apartment 2-C
    Bailey Hawks hatte dem Wachdienst die Begegnung im Pool nicht gemeldet. Aus Rücksicht auf die Privatsphäre der Bewohner hatte man in diesem Raum auf eine Überwachungskamera verzichtet; daher gab es nun keinen Beweis dafür, dass sich der bizarre Vorfall tatsächlich ereignet hatte.
    Fünf Bewohner des Pendleton gehörten zu seinen Klienten: Die Schwestern Edna und Martha Cupp in 3- A ; Rawley und June Tullis in 2- D und Gary Dai in 3- B . Es war nicht anzuneh men, dass Menschen mit einem beträchtlichen Investmentport folio ihr
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