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Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall

Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall

Titel: Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall
Autoren: Felicitas Mayall
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fähig wären, um seinen Verrat zu bestrafen?»
    Nachdenklich trank Laura einen Schluck Brunello, versuchte ehrlich zu antworten. Was wäre, wenn sie herausfände, dass Angelo sie nur als bequeme Ferngeliebte benutzt hätte und hier ein ganz anderes Leben führte, eine zweite Freundin hätte? Natürlich würde sie sich gedemütigt fühlen, sehr wütend und verzweifelt sein. Aber deshalb würde sie ihn nicht ruinieren oder umbringen wollen … oder doch? In Gedanken vielleicht, im ersten Schmerz … Traurig wäre sie und um ein großes Stück Selbstbewusstsein ärmer, so, wie sie es nach ihrer Trennung von Ronald gewesen war. Wer betrogen wird, steht nie besonders glänzend da. Vor allem nicht vor sich selbst.
    «Nein», antwortete sie langsam. «Ich glaube nicht. Höchstens vielleicht im Affekt, wenn jemand mich direkt demütigt und verachtet.»
    «Ist Ihnen das schon passiert?»
    «Selten und eigentlich nie von Menschen, die mir wichtig waren.»
    Donatella schob ihr Weinglas auf dem glatten Holztisch hin und her.
    «Mir schon», flüsterte sie. «Mir passiert es immer wieder.»
    «Hat Benjamin Sutton Sie gedemütigt?»
    «Auf indirekte Weise, aber dafür umso tiefer.»
    Laura fragte nicht weiter, wartete nur und hoffte, dass Leonardo mit dem Kaninchen noch ein paar Minuten warten würde.
    «Ich hatte beschlossen, ihn zu töten.» Donatella schien kaum zu atmen und sprach mit geschlossenen Augen weiter. «Doch als ich in sein Hotelzimmer kam, war er bereits tot. Wissen Sie, was ich dann getan habe? Ich habe mich benommen wie eine Mörderin. Ich habe nichts berührt, habe den Chip für seine Tür weggeworfen, den er mir gegeben hatte. Ich habe auf seinen Anrufbeantworter gesprochen, als würde er noch leben. Ich habe mich mit ihm verabredet, obwohl ich wusste, dass er nicht kommen würde. Ich bin ins Münchner Polizeipräsidium gegangen und habe Ihnen meine Geschichte aufgetischt. Sie haben mich damals durchschaut, nicht wahr? Aber Sie konnten mir nichts nachweisen. Ich hatte eine Weile das Gefühl, eine Mörderin zu sein. Ganz egal, wer ihn umgebracht hatte. Ich wollte es ebenfalls tun!»
    «Aber Sie haben es nicht getan, oder?»
    «Nein, ich habe es nicht getan. Aber jetzt will ich wissen, wer es war.»
    «Um Benjamin zu entlasten?»
    «Ja, vielleicht. In gewisser Weise bin ich Benjamin trotz seines Verrats irgendwie dankbar. Er hat mich aufgeweckt, hat mich durch Himmel und Hölle geschickt. Aber das ist immer noch besser, als einfach so dahinzuleben, verstehen Sie?»
    «Ja, das verstehe ich.»
    «Ich dachte, dass Sie es verstehen würden. Ich habe Sie so eingeschätzt. Zumindest habe ich gehofft, dass meine Einschätzung richtig sein würde.»
    Aus den Augenwinkeln nahm Laura wahr, wie Leonardo mit dem Essen auf dem Weg zu ihnen war, und winkte verstohlen ab. Der Wirt erstarrte in seiner Bewegung und kehrte in die Küche zurück. Donatella schien nichts bemerkt zu haben.
    «Ich werde mich von meinem Mann trennen», fuhr sie fort. «Ich möchte meine Kinder wiederfinden, und meine Arbeit macht mir Freude. Ich werde die geforderte Summe nicht bezahlen. Ein Skandal macht mir keine Angst mehr – im Gegenteil, er würde wie eine Befreiung wirken.» Donatella hob den Kopf und sah Laura an, tapfer um einen mutigen Ausdruck bemüht. Trotzdem flackerte Furcht in ihren Augen.
    «Bin ich eine Mörderin, obwohl ich keinen Mord begangen habe?»
    «Vor dem Gesetz sind Sie keine Mörderin, Signora Cipriani. Was Sie vor Ihrem eigenen Gewissen sind, das ist eine andere Frage. Vielleicht hatten Sie nur Glück, und irgendwer hat Sie davor bewahrt, einen Mord zu begehen.»
    Wieder biss Donatella auf ihre Unterlippe und krümmte sich leicht zusammen.
    «Haben Sie sich schon einmal vorgestellt, was Sie getan hätten, falls Benjamin Sutton noch am Leben gewesen wäre?»
    «Ich habe es versucht, aber es ist mir nicht gelungen …»
    «Auf welche Weise wollten Sie ihn umbringen?»
    Donatella umklammerte das Weinglas, als wollte sie es zerbrechen, und starrte auf den Tisch.
    «Ich wollte ihn vergiften. Ich hatte Rattengift bei mir. Damit vergiftet man in Mailand auch Tauben. Ich hatte dieses widerliche Bild eines balzenden Täuberichs in mir und bekam es nicht mehr aus dem Kopf!»
    «Keine K.-o.-Tropfen?»
    «Nein.»
    «Jemand hat ihm K.-o.-Tropfen in den Whisky gemischt.»
    «Und daran ist er gestorben?»
    «Nein, danach hat ihm jemand Kaliumchlorid gespritzt. Das ist absolut tödlich … allerdings im Gegensatz zu Rattengift
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