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Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Titel: Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren
Autoren: Alison Sinclair
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ihre Magie zusammengeschrumpft.
    »Telmaine!«, erklang Ishmaels drängende Stimme. »Telmaine, ich brauche hier Hilfe.«
    Sie zog sich auf die Arme hoch und warf einen unsicheren Peilruf in Richtung dieser unmöglichen Stimme. Eine breite, in einen Umhang und einen Schal gehüllte Gestalt hockte neben Balthasar. Unter dem breitkrempigen Hut entdeckte sie Ishmaels vertrautes, ihr zugewandtes Gesicht.
    »Ishmael«, flüsterte sie.
    »Ich werde es gleich erklären, aber Ihr Mann blutet heftig, und ich habe nichts zu geben.«
    Sie rappelte sich abermals auf Hände und Knie hoch und schleppte sich zu den beiden Männern hinüber. Ishmael drückte Balthasar seinen zusammengefalteten Schal auf die rechte Wange und das Kinn, eine provisorische Kompresse. Sie konnte den rohen, metallischen Geruch von frischem Blut riechen.
    »Sie brauchen nichts zu tun«, sagte Ishmael heiser. »Helfen Sie mir nur, die Blutung zu stillen.«
    Sie begriff, was er zu tun versuchte, und sparte ihm die Anstrengung. »Balthasar weiß es; ich habe es ihm erzählt.«
    Sie legte die Finger auf Balthasars Hals und spürte klebrige Feuchtigkeit und einen starken, sehr schnellen Puls. Ishmael legte seine Hand über ihre, und sie schnappte nach Luft, als sie ihn fühlte wie die noch glühende Asche, die nach einem Feuer übrig bleibt. »Die Magie wird zurückkommen«, sagte er – als wüsste sie nicht um das Ausmaß seiner Furcht, dass sie nicht wiederkommen würde. Mit einiger Mühe visualisierte er Nerven, Arterien und Venen des Gesichts vor ihr, und sie weckte die Überreste ihrer eigenen Magie, um das Gewebe zusammenzufügen. Es ging langsamer voran, als sie gedacht hatte. Die ganze Zeit lag Balthasar reglos und zitternd da, gefangen zwischen Entsetzen und dem Triumph über sein eigenes Überleben. Schließlich löste Ishmael den durchweichten Schal von Balthasars Gesicht und entblößte drei lange, jetzt geschlossene Kratzer, die vom Ohr bis zum Kinn reichten. »Einige Zentimeter tiefer, Hearne, und Sie wären tot gewesen.«
    »Wenn er mich sofort hätte töten wollen«, sagte Balthasar heiser, wobei er versuchte, nicht das Kinn zu bewegen, »hätte er diese wenigen Zentimeter überwunden.« Sehr vorsichtig richtete er sich auf. »Ich würde lieber keine Spekulationen darüber anstellen, wofür er mich vielleicht verschont hat. Lasst uns …« Er drehte den Kopf und warf einen unsicheren Peilruf über den Leichnam, der neben ihm lag. »Ah«, murmelte er. Zittrig oder nicht, es war das Geräusch intellektueller Befriedigung.
    »In der Tat ›Ah‹«, sagte Ishmael.
    Er zog sich zurück, sodass Telmaine ihr Sonar auf die Leiche richten konnte, eine männliche Höflichkeit, die sie kaum zu schätzen wusste, als ihr klar wurde, dass Ishmaels letzter, tödlicher Schuss den Schädel der Kreatur zerschmettert und ihr Gehirn in Fetzen wie von Pudding ringsum versprengt hatte. Davon abgesehen nahm sie nur wenige Einzelheiten auf, bevor sie sich würgend aufbäumte. »Schafft es weg«, schluchzte sie und krümmte sich zusammen. »Schafft es weg.«
    Eine Sondierung strich mit entblößender Gewalt über sie alle hinweg. Es folgte das Klicken eines zurückgezogenen Abzugs. Vladimer Plantageters Stimme erklang: »Bewegen Sie sich nicht, keiner von Ihnen, oder ich schieße. Und ich schieße, um zu töten.«
    Telmaine hob den Kopf. Ishmaels breite Hand landete hart in ihrem Nacken und drückte sie herunter. Es folgte das Krachen eines Revolvers, und eine Kugel schlug so dicht neben ihr im Boden ein, dass sie versengten Teppich und brennendes Holz roch.
    »Ishmael di Studier«, sagte Vladimer. »Erklären Sie.«
    »Ich bin hocherfreut«, erwiderte Ishmael, »dazu in der Lage zu sein. Aber darf ich zuerst vielleicht Prinzessin Telmaine helfen, sich aufzurichten?«
    »Telmaine?«, fragte Vladimer. »Meine Cousine Telmaine …« Zum ersten Mal klang er weniger autoritär und selbstsicher. »Da war eine Frau …« Seine Stimme zitterte. Der warnende Druck von Ishmaels Hand auf ihrem Hinterkopf ließ nicht nach. »Ja«, sagte Vladimer schließlich. »Lassen Sie sie sich aufrichten.«
    Sie wagte es, einen Peilruf auszusenden, als sie sich aufsetzte, und erkannte, dass Vladimer dabei war, seine langen, dünnen Beine vom Bett zu schwingen und sich hinzustellen. Ein Bein war erkennbar verkrümmt, der Knöchel verbogen und vernarbt. Trotzdem beherrschte Vladimer, barfuß und mit einem langen Nachthemd angetan, den Raum. »Wer«, sagte er und neigte den Kopf in Richtung der
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