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Nacht über Juniper

Titel: Nacht über Juniper
Autoren: Glen Cook
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schen konnte.
Shed schoß wieder in die Lilie hinein. »Ich gehe hinten raus.« Er machte Zeichen: »Darling, ich verschwinde. Du hast mich seit heute morgen nicht mehr gesehen.« »Krage?« erwiderte das Mädchen mit Gesten. »Krage«, gab Shed zu. Er flitzte in die Küche, schnappte sich seinen zerrissenen Mantel vom Haken, zwängte sich zappelnd hinein. Zweimal zerrte er am Türriegel, bis er ihn endlich aufbekam.
Ein böses Grinsen, dem drei Zähne fehlten, grüßte ihn aus der Kälte heraus. Stinkender Atem stieg ihm in die Nase. Ein schmutziger Finger bohrte sich in seine Brust. »Wolltest du irgendwohin, Shed?«
»Hallo, Red. Ich will gerade zu Latham wegen etwas Feuerholz.« »Nein, das willst du nicht.« Der Finger drückte stärker. Shed wich zurück, bis er wieder im Schankraum war.
Schwitzend fragte er: »Einen Becher Wein?«
    »Das ist aber wirklich nett von dir, Shed. Mach doch drei daraus.«
»Drei?« fragte Shed mit quiekender Stimme. »Jetzt erzähl mir doch nicht, daß du nicht gewußt hast, daß Krage auf dem Weg hierher ist.« »Das wußte ich wirklich nicht«, log Shed. Reds zahnlückiges Feixen verriet, daß ihn Sheds Lüge nicht überzeugte.

SECHSTES KAPITEL
Ärger in Tally
    Man kann sich noch so sehr bemühen, aber irgendwas geht immer schief. So ist halt das Le- ben. Wenn man schlau ist, plant man das ein. Irgendwie war jemand aus Madles Kneipe entwischt, als etwa der fünfundzwanzigste Rebell in unser Netz stolperte und es gerade so aussah, daß Madle uns einen großen Gefallen getan hatte, als er die hiesige Rebellenhierarchie zu einer Besprechung zusammenrief. Rückblik- kend gesehen läßt sich schwer sagen, wer daran Schuld hatte. Wir alle taten, was wir sollten. Aber bei jeder Dauerbelastung gibt es Grenzen. Der Mann, der sich absetzte, hatte vermutlich Stunden damit verbracht, seine Flucht zu planen. Es dauerte lange, bis wir seine Abwesenheit bemerkten.
Candy fiel es schließlich auf. Am Ende eines Spieles warf er seine Karten ab und sagte: »Uns fehlt einer, Leute. Einer von den Schweinezüchtern. Der Kleine, der wie ein Schwein aussah.«
Ich konnte den fraglichen Tisch aus dem Augenwinkel sehen. Ich grunzte zustimmend. »Recht hast du. Verdammt. Wir hätten nach jedem Gang zum Brunnen nachzählen sollen.« Der Tisch stand hinter Pfandleiher. Er drehte sich nicht um. Er wartete ein Spiel lang ab, dann schlenderte er zu Madles Tresen und holte sich einen neuen Krug Bier. Während sein Geschnatter den Hiesigen Ablenkung bot, formten meine Finger rasche Taubstummenzeichen. »Macht euch besser auf einen Überfall bereit. Sie wissen, wer wir sind. Ich habe mich ver- plappert.«
Die Rebellen waren ziemlich heiß auf uns. Die Schwarze Schar hat sich einen Ruf als erfolg- reicher Ausrotter der Rebellenpest eingehandelt, wo auch immer sie auftaucht. Obwohl wir nicht ganz so schlimm sind wie unser Ruf, sorgt doch unsere Ankunft allerorten für Schrek- ken. Wenn wir erscheinen, gehen die Rebellen oft in den Untergrund und geben alle ihre Vor- haben auf.
Trotzdem waren vier von uns hier, getrennt von unseren Kameraden und offenbar ahnungs- los, daß wir uns in Gefahr befanden. Sie würden es versuchen. Die Frage war nur, wie sehr sie es versuchen würden.
Wir hatten einige Trümpfe im Ärmel. Wenn wir es vermeiden können, spielen wir nicht fair. Die Philosophie der Schar zielt auf maximale Wirkung bei minimalem Risiko. Der hochgewachsene dunkelhäutige Mann stand auf, verließ seinen Schattenplatz, ging mit langen Schritten zur Treppe, die zu den Schlafräumen führte. »Behalte ihn im Auge, Otto«, knurrte Candy. Otto hastete ihm hinterher; gegen den Mann wirkte er schwächlich. Die ande- ren Gäste sahen zu und hegten Hoffnungen. Pfandleiher fragte in der Zeichensprache: »Und was jetzt?« »Wir warten«, sagte Candy laut und fügte mit Zeichen hinzu: »Wir tun das, weswegen wir hierher geschickt wurden.«
    »Lebendigen Köder zu spielen macht nicht viel Spaß«, signalisierte Pfandleiher zurück. Ner-
vös äugte er zur Treppe. »Misch doch mal Otto ein Blatt zurecht«, schlug er vor. Ich sah zu Candy. Er nickte. »Warum nicht? Gib ihm so um die siebzehn auf die Hand.« Wenn Otto weniger als zwanzig hatte, legte er fast immer in der ersten Runde ab. Die Chan- cen standen gut.
Ich rechnete rasch die Karten durch und grinste. Ich konnte ihm siebzehn und uns anderen noch genügend niedrige Karten zuteilen, daß wir ihn über den Tisch ziehen konnten. »Gebt mir die Karten.« Ich teilte
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