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Nacht über Juniper

Titel: Nacht über Juniper
Autoren: Glen Cook
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passiert nichts. Wenn du mit uns zusammenarbeitest. Sag mir, wer diese Männer waren.«
Er druckste und stotterte herum. Hatte ich mir schon gedacht. »Nur die Namen«, sagte ich. Stirnrunzelnd sah er auf das Papier. Er konnte nicht lesen. »Madle? Ist zum Schwimmen ziemlich eng, so ein Brunnen mit all den Leichen darin.« Er schluckte und ließ den Blick durch den Raum huschen. Ich warf einen kurzen Blick auf den Mann neben dem Kamin. Während des Kampfes hatte er sich nicht gerührt. Auch jetzt sah er uns scheinbar gleichgültig zu.
Madle nannte Namen.
Einige standen auf meiner Liste, andere nicht. Die, die nicht darauf standen, waren meiner Ansicht nach Handlanger. Tally war gründlich und verläßlich ausgekundschaftet worden. Die letzte Leiche wurde weggeräumt. Ich reichte Madle ein kleines Goldstück. Er glotzte mit hervortretenden Augen darauf. Seine Kunden warfen ihm unfreundliche Blicke zu. Ich grinste. »Für deine Dienste.«
Madle erbleichte, starrte auf die Münze. Sie war ein Todesurteil. Seine Kunden würden glauben, daß er bei dem Hinterhalt mitgemacht hatte. »Erwischt«, flüsterte ich. »Willst du lebend hier raus?«
Er sah mich angst- und haßerfüllt an. »Wer zur Hölle seid ihr Burschen?« wollte er wissen. Seine Stimme war nur noch ein heiseres Flüstern. »Die Schwarze Schar, Madle. Die Schwarze Schar.« Ich weiß nicht, wie er das schaffte, aber er wurde noch bleicher.

FÜNFTES KAPITEL
Juniper: Marron Shed
    Der Tag war kalt und grau und feucht, still, neblig und düster. Die Unterhaltungen in der Ei- sernen Lilie bestanden aus mürrischen einsilbigen Worten, die vor einem kleinen Feuer ge- wechselt wurden.
Dann kam der Nieselregen, der die Vorhänge der Welt zusammenzog. Über die schmutzige verschlammte Straße huschten kraftlos graue und braune Schatten. Dieser Tag schien gerade- wegs dem Schoß der Verzweiflung entsprungen zu sein. In der Lilie blickte Marron Shed vom Putzen seiner Krüge auf. Das nannte er Staubwischen. Seine schäbige Töpferware wurde von niemandem benutzt, weil niemand seinen billigen sauren Wein kaufte. Niemand konnte ihn sich leisten.
Die Lilie lag am Südende der Blumengasse. Sheds Tresen stand zwanzig Fuß weit vom Licht des Eingangs entfernt in der Dunkelheit des Schankraums. Einige kleine Tische, die von kleinen Stuhlschwärmen umgeben waren, lieferten Kunden, die aus dem Sonnenlicht hier hineinstolperten, ein Labyrinth der Abenteuer. Ein halbes Dutzend grob zurechtgehauener Stützbalken sorgten für weitere Hindernisse. Die Dachsparren waren für einen hochgewach- senen Mann zu niedrig. Die Bodenbretter waren gesprungen, verzogen und knarrten, und was man verschüttete, rieselte das Gefälle hinab. An den Wänden waren alte Kuriositäten und Klamotten ausgehängt, die den Kunden dieser Tage nichts mehr bedeuteten. Marron Shed war zu faul, um sie abzustauben oder herunterzu- nehmen.
Der Schankraum schlängelte sich in L-Form um seinen Tresen am Kamin vorbei, wo die be- sten Plätze waren. Hinter dem Kamin lag im tiefsten Schatten, einen Meter von der Küche entfernt, der Aufgang zu den Gästezimmern. In dieses finstere Labyrinth trat ein wieselartiger kleiner Mann. Er hatte ein Bündel Klaub- holz unter dem Arm. »Shed? Kann ich?«
»Verdammt, warum nicht, Asa? Tut uns allen wohl gut.« Das Feuer war zu einem grauen Aschehaufen zusammengesunken.
Asa wuselte zum Kamin. Die dort Sitzenden rückten widerwillig beiseite. Asa kauerte sich neben Sheds Mutter nieder. Die alte June war blind. Sie wußte nicht, wer er war. Er legte sein Bündel vor sich hin und stocherte in der Glut herum. »Gab’s nichts an den Docks?« fragte Shed. Asa schüttelte den Kopf. »Es kam nichts rein. Es ging nichts raus. Es gab nur fünf Stellen. Wagen abladen. Die Männer haben sich darum geprügelt.« Shed nickte. Asa war kein Schläger. Asa machte sich auch nichts aus ehrlicher Arbeit. »Dar- ling, schenk Asa einen ein.« Shed machte eine Geste. Seine Schankmaid nahm den ange- schlagenen Becher und brachte ihn zum Feuer.
    Shed mochte den kleinen Mann nicht. Er war ein Schleicher, ein Dieb, ein Lügner, ein
Drückeberger, die Sorte, die die eigene Schwester für ein paar Kupfergersh verkaufen würde. Er war ein Quengler und ein Nörgler und ein Feigling. Aber er war zu einem Projekt für Shed geworden, der auch etwas Wohltätigkeit hätte gebrauchen können. Asa gehörte zu den Ob- dachlosen, die Shed auf dem Boden des Schankraums schlafen ließ, wenn sie Feuerholz her- anschafften.
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