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Nacht ohne Schatten

Nacht ohne Schatten

Titel: Nacht ohne Schatten
Autoren: Gisa Klönne
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und schaltet sein Handy aus, um der Krankenhausetikette Genüge zu tun.
    Â»Es ist so merkwürdig«, sagt die Oberärztin. »Seit gestern Nacht geht es ihr besser, und da erscheint plötzlich dieser Mann.«
    Â»Es geht ihr besser?«
    Wieder fiept das Rufgerät der Ärztin, sie nickt Manni zu, hastet in eines der Zimmer.
    Manni läuft über den Flur, den vertrauten Weg, selbst die Erinnerungen an seinen Vater hat er inzwischen im Griff. Im ersten Moment erkennt er keinerlei Veränderung an Swetlana. Er tritt näher heran, erschrickt, weil der Schlauch des Beatmungsgeräts nicht länger in Swetlanas Kehle spießt. Durchsichtige Leitungen, die in ihre Nase führen, haben ihn ersetzt.
    Â»Das ist ein gutes Zeichen, ihre Lunge erholt sich.« Eine indisch aussehende Schwester hat das Zimmer betreten.
    Â»Heißt das, sie kommt durch?«
    Â»Wir wissen es nicht. Aber es ist ein gutes Zeichen.« Die Schwester lächelt. »Eigentlich ein Wunder.«
    Ein Wunder. Nach einem Tag, der mit der Festnahme Popolows begann und dann in endlosen, fruchtlosen Vernehmungen des Zuhälters und der Seinen zerfaserte, ist Manni Wundern aller Art durchaus nicht abgeneigt. Irgendwas muss passieren, irgendwie muss er weiterkommen. Dringend. Sehr dringend, denn wenn es so weitergeht wie bisher, müssen sie Popolow laufen lassen.
    Â»Haben Sie den Mann gesehen?«
    Â»Die Oberärztin hat mich geschickt.« Trotz ihres exotischen Aussehens spricht die Schwester akzentfreies Deutsch. Was sie über Swetlanas mysteriösen Besucher aussagen kann, ist dennoch nicht sehr erhellend.
    Â»Sie haben gesagt, er sprach gebrochen Deutsch. Was glauben Sie, woher er stammt?«
    Â»Russland, vielleicht auch Polen, aber beschwören kann ich das nicht.«
    Manni zieht sich einen Besucherstuhl neben Swetlanas Bett, lässt die Schwester gehen. Jemand ist ihm gefolgt. Jemand beobachtet ihn. Immer wieder hatte er diesen Verdacht. Er hätte das ernst nehmen müssen, ernster, statt sich in seinen Liebesqualen zu suhlen. Spätestens um den dunklen Audi gestern hätte er sich kümmern müssen. War es überhaupt ein TT?
    Manni beugt sich vor, nimmt ganz vorsichtig Swetlanas Hand, streichelt die dünnen Finger, stellt sich vor, dass es Sonjas wären. Sie hat ihn heute Mittag angerufen, wollte ihn treffen, ausgerechnet heute, mitten im Verhör. Sie hat geweint, sie hätte einen Fehler gemacht, sich viel zu sehr in ihn verliebt, um noch abspringen zu können. Ob sein Angebot noch stehe, dass sie es noch mal probieren könnten. Er hat sie abgewimmelt, lass uns in Ruhe drüber reden, ich kann jetzt nicht. Warum hat er das getan, fragt er sich jetzt? Warum hat er nicht einfach gesagt, was er fühlt: Ja, na klar?
    Die Oberärztin eilt auf quietschenden Gummisohlen ins Zimmer, betont ebenfalls, dass es einem Wunder gleichkäme, dass Swetlana sich auf einmal erholt. Manni fragt sie nach einem Telefon, bittet sie, solange bei Swetlana zu wachen. Er wählt Holger Kühns Nummer, dann Axel Millstätts, kriegt schließlich wieder den Anfänger an den Apparat.
    Â»Wir brauchen Überwachung für Swetlana, organisier das bitte«, sagt Manni, nachdem er die Ereignisse skizziert hat. »Ich bin schon vor Ort, übernehme die erste Schicht.«
    Â»Ja, gut, bis Mitternacht löst dich jemand ab, aber …«
    Â»Und check bitte, ob auf irgendjemand in Popolows Umfeld ein dunkler Audi zugelassen ist, wahrscheinlich ein TT.«
    Â»Der Wagen von Nolden …«
    Â»Nicht jetzt«, schreit Manni. »Nicht jetzt.«
    * * *
    Die Angst aus Judiths Albträumen belauert sie, das Gefühl zu fallen. Es gibt keinen Grund für diese Angst, sie ist so irrational wie in den Nächten zuvor. Judith zwingt sich zur Ruhe, folgt Marlene Nolden in ihr klinisch aufgeräumtes Wohnzimmer. Die Gattin des Kunstmäzens wirkt angeschlagen, kränklich, ließ sich nur mühsam dazu überreden, mit Judith zu sprechen. Ihr Mann werde erst spät zurückkommen, betont sie ein ums andere Mal, ohne zu wissen, dass Judith dies bereits durch ein Telefonat mit Noldens Bank herausgefunden hat. Ist Noldens Ehefrau gefährlich, hat Ekaterina Petrowa recht? Das Risiko ist vertretbar, denkt Judith, die Chance, Marlene Nolden allein zum Reden zu bringen, ist gut. Durchhalten, nicht aufgeben, auch ohne Dienstwaffe und offizielle Befugnis, darauf kommt es an. Sie will es
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