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Nacht ohne Ende

Nacht ohne Ende

Titel: Nacht ohne Ende
Autoren: Sandra Brown
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verstehst offenbar nicht, was ich sage, Tiel. Ich kann dich überhaupt nicht treffen.«
    Die winzigen Löcher flössen wieder ineinander. »Oh. Ach so. Das ist allerdings eine Enttäuschung. Na ja -«
    »Die Lage hier ist ziemlich angespannt, verstehst du. Meine Frau hat mein Flugticket gefunden und -«
    »Wie war das bitte?«
    »Ich sagte, meine Frau hat mein Flug -«
    »Du bist verheiratet?«, fragte sie tonlos.
    »Ich... ja. Ich dachte, das wüsstest du.«
    »Nein.« Ihre Gesichtsmuskeln fühlten sich plötzlich starr und unbiegsam an. »Du hast mir gegenüber nie erwähnt, dass es auch eine Mrs. Marcus gibt.«
    »Weil meine Ehe nichts mit dir zu tun hat, mit uns. Es ist schon seit langem keine richtige Ehe mehr. Wenn ich dir meine häusliche Situation erst einmal erklärt habe, wirst du mich verstehen.«
    »Du bist verheiratet.« Diesmal war es eine Feststellung, keine Frage.
    »Tiel, hör zu -«
    »Nein, nein, ich werde dir nicht zuhören, Joseph. Ich werde ganz einfach auflegen, du Scheißkerl!«
    Noch lange nachdem sie aufgelegt hatte klammerte sie sich an den Telefonhörer, den sie knapp zehn Minuten zuvor nur mit Widerwillen angefasst hatte. Sie lehnte sich gegen den Münzfernsprecher, die Stirn fest gegen das perforierte Metall gepresst, während ihre Hände noch immer den schmierigen Hörer umfasst hielten.
    Verheiratet. Als sie ihn kennen gelernt hatte, hatte sie gedacht, es sei zu schön, um wahr zu sein. Tja, und genauso war es ja auch. Der Traummann Joseph Marcus - gut aussehend, charmant, nett, witzig, sportlich, erfolgreich und finanziell abgesichert - war verheiratet. Wenn das Flugticket nicht gewesen wäre, hätte sie eine Affäre mit einem verheirateten Mann gehabt.
    Tiel schluckte eine Aufwallung von Übelkeit hinunter und brauchte einen weiteren Moment, um sich wieder in die Gewalt zu bekommen. Später würde sie ihre Wunden lecken, sich dafür ausschelten, dass sie so dumm und naiv gewesen war, auf ihn hereinzufallen, und ihn zur Hölle und zurück wünschen. Aber zuerst einmal musste sie ihre Arbeit tun.
    Josephs Enthüllung war ein solcher Schock gewesen, dass sich ihr alles drehte. Sie war über alle Maßen wütend auf ihn. Sie war zutiefst verletzt, aber mehr als alles andere schämte sie sich ihrer eigenen Leichtgläubigkeit. Umso mehr Grund, nicht zuzulassen, dass der Bastard sie in ihrer Arbeitsleistung beeinträchtigte.
    Arbeit war ihr Allheilmittel, ihr Lebenserhaltungssystem. Sie arbeitete, wenn sie glücklich war. Sie arbeitete, wenn sie traurig war. Sie arbeitete, wenn sie krank war. Arbeit war das Heilmittel gegen alle ihre Leiden. Arbeit war das Patentrezept gegen alles... selbst gegen einen so großen Kummer, dass man dachte, man würde daran sterben.
    Sie wusste das aus erster Hand.
    Sie raffte ihren Stolz zusammen, sammelte die Zettel mit ihren Notizen zu der Dendy-Story und Gullys Wegbeschreibung nach Hera, Texas, ein und befahl sich energisch, sich in Bewegung zu setzen.
    Verglichen mit dem trüben Halbdunkel im Korridor schien die Neonbeleuchtung im Verkaufsraum übermäßig hell. Der Cowboy war inzwischen wieder gegangen. Das ältere Ehepaar stöberte in der Zeitschriftenauslage. Die beiden Spanisch sprechenden Männer aßen ihre Burritos und unterhielten sich leise miteinander.
    Tiel fühlte ihre anzüglichen Blicke auf sich, als sie an ihnen vorbei zu den Kühlschränken ging. Der eine sagte etwas zu dem anderen, was diesen prustend lachen ließ. Es fiel Tiel nicht sonderlich schwer, die Art des Kommentars zu erraten. Zum Glück war ihr Spanisch etwas eingerostet.
    Sie schob die Glastür der Kühlvitrine auf und wählte einen Sechserpack Cola für unterwegs aus. Von einem Regal mit Snacks nahm sie ein Päckchen Sonnenblumenkerne. Während ihrer Collegezeit hatte sie entdeckt, dass das Aufknacken der gesalzenen Schalen, um an die Kerne im Inneren heranzukommen, eine gute manuelle Übung war, um sich wach zu halten, wenn man spät abends noch lernen musste. Hoffentlich würde sich das Prinzip auch auf nächtliche Autofahrten übertragen lassen.
    Sie überlegte hin und her, ob sie sich einen Beutel Schokoladentoffees kaufen sollte oder nicht. Nur weil ein Mann, mit dem sie sich wochenlang getroffen hatte, sich plötzlich als verheiratetes Arschloch entpuppt hatte, bedeutete das nicht, dass sie das als Entschuldigung benutzen sollte, um ein Fressgelage zu veranstalten. Andererseits, wenn sie jemals etwas Leckeres verdient hatte...
    Die Videoüberwachungskamera an der Ecke der
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