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Nacht ohne Ende

Nacht ohne Ende

Titel: Nacht ohne Ende
Autoren: Sandra Brown
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wenn sie im Begriff war, eine heiße Spur zu einer super Story zu verfolgen. Dieser beispiellose Adrenalinstoß war einfach unmissverständlich.
    »Du bist auf dem Weg nach Angel Fire, richtig?«
    »Richtig.«
    »Im nordöstlichen Teil von New Mexico... ah ja, da ist es.« Er musste beim Sprechen auf eine Straßenkarte gesehen haben. »Egal, vergiss es. Du willst diesen Auftrag bestimmt nicht. Du würdest dann auch einen Umweg machen müssen.«
    Er wollte sie ködern, und sie wusste es, aber es machte ihr in diesem Augenblick nichts aus, sich ködern zu lassen. Sie wollte ein Stück von dieser Story. Die Entführung von Russell Dendys Tochter war eine sensationelle Nachricht, ein gefundenes Fressen für die Medien, und sie versprach, noch für eine ganze Menge mehr Schlagzeilen zu sorgen, ehe sie vorüber war. »Es macht mir nichts aus, einen Umweg zu machen. Sag mir, wo ich hinfahren soll.«
    »Na ja«, meinte er zögernd, »aber nur, wenn du dir sicher bist.«
    »Ich bin mir sicher.«
    »Okay. Also, nicht allzu weit vor dir gibt es eine Ausfahrt auf den State Highway Zwei-Null-Acht. Fahr von dort aus in südlicher Richtung nach San Angelo. Auf der Südseite von San Angelo kommst du an eine Kreuzung -«
    »Gully, ungefähr wie weit wird mich dieser Umweg von meiner geplanten Route abbringen?«
    »Ich dachte, es macht dir nichts aus.«
    »Das tut es ja auch nicht. Ich möchte es nur wissen. Eine grobe Schätzung.«
    »Tja, mal überlegen. Grob über den Daumen gepeilt... ungefähr dreihundert Meilen.«
    »Von Angel Fire?«, fragte sie schwach.
    »Von der Stelle aus, wo du jetzt bist. Den Rest des Weges nach Angel Fire nicht mit eingerechnet.«
    »Dreihundert hin und zurück?«
    »Dreihundert hin und dreihundert zurück.«
    Sie stieß einen langen Seufzer aus, achtete jedoch sorgfältig darauf, dass Gully ihn nicht hörte. »Du hast gesagt, Highway Zwei-Null-Acht in südlicher Richtung nach San Angelo, und wie weiter?«
    Tiel lenkte mit den Knien, hielt das Handy mit der linken Hand und machte sich mit der rechten Notizen. Der Wagen war auf Tempostat eingestellt, aber ihr Gehirn lief auf Hochtouren. Erregung pulsierte durch ihre Adern, und ihr Journalistenblut pumpte schneller als die Kolben im Motor ihres Autos. Gedanken an lange, angenehme Abende in einem Schaukelstuhl auf einer Veranda wurden von solchen an Tonbandaufnahmen und Interviews verdrängt.
    Aber sie griff den Dingen ein bisschen zu weit vor. Ihr fehlten noch immer handfeste Fakten. Als sie danach fragte, stellte sich Gully - zur Hölle mit ihm - plötzlich stur. »Nicht jetzt, Tiel. Ich bin so beschäftigt wie ein einarmiger Tapezierer, und du hast noch einen ziemlich weiten Weg vor dir. Bis du dort angekommen bist, wo du hinwillst, werde ich mehr als genug Informationen für dich haben.«
    Frustriert und mehr als ärgerlich auf ihn, weil er derart mit Einzelheiten knauserte, fragte sie: »Wie heißt die Stadt noch mal?«
    »Hera.«
     
    Die Highways verliefen schnurgerade, auf beiden Seiten von endloser Grassteppe flankiert, deren Eintönigkeit nur hin und wieder von Viehherden aufgelockert wurde, die auf künstlich bewässerten Weiden grasten. Ölquellen zeichneten sich als Silhouetten gegen einen wolkenlosen Himmel ab. Oft rollte ein Steppenläufer vor Tiel über die Straße. Nachdem sie San Angelo hinter sich gelassen hatte, sah sie nur noch selten ein anderes Fahrzeug.
    Komisch, dachte sie, wie sich die Dinge so entwickeln.
    Normalerweise hätte sie es vorgezogen, nach New Mexico zu fliegen. Aber sie hatte schon vor Tagen entschieden, mit dem Wagen nach Angel Fire zu fahren, nicht nur, damit sie Onkel Pete auf dem Weg dorthin besuchen konnte, sondern auch, um in Urlaubsstimmung zu kommen. Die lange Fahrt würde ihr Zeit verschaffen, sich von all dem Druck zu befreien, den Alltag hinter sich zu lassen, die Phase der Ruhe und Entspannung zu beginnen, noch bevor sie ihren Urlaubsort in den Bergen erreicht hatte, so dass sie - wenn sie dann schließlich dort ankam - bereits voll und ganz auf Ferien eingestimmt sein würde.
    Zu Hause in Dallas bewegte sie sich stets mit Lichtgeschwindigkeit, immer in Hetze, immer unter Termindruck arbeitend. Als sie an diesem Morgen die Randbezirke von Fort Worth erreicht und das sich weit ausbreitende Stadtgebiet hinter sich gelassen hatte, als der Urlaub allmählich zur Realität geworden war, hatte sie zum ersten Mal so etwas wie Vorfreude auf die idyllischen Tage gefühlt, die sie erwarteten. Sie hatte mit offenen
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