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Nacht der Versuchung

Nacht der Versuchung

Titel: Nacht der Versuchung
Autoren: Heinz G. Konsalik
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versoffenes Schwein! Aber bei ihm wird man sagen: Er ist eine Frohnatur.
    Blankers rannte in die weite Bahnhofshalle und wußte in diesem Moment, daß es völlig sinnlos wäre, Margit zu suchen. Wo denn, um Himmels willen? Bahnsteig nach Bahnsteig, ständig einlaufende Züge, ebensooft wegfahrende Züge – sie konnte auf Bahnsteig 3 oder 15 sein, konnte in diesem Augenblick einsteigen oder aus der Halle fahren oder war schon auf dem Weg nach dem unbekannten Ort, wo sie sich verbergen wollte wie ein kleines Mädchen, das Angst vor Schlägen hat und sich in einer Scheune verkriecht.
    Blankers eilte zu einer der Tafeln mit den Abfahrtszeiten. Einer Eingebung folgend las er die rotgedruckten D- und F-Zug-Abfahrten.
    Ursula Fürst ist verhaftet, das spanische Haus ist verkauft, sie hat keine andere Freundin mehr als diese Babette Heilmann. Und Babette lebte noch in England, in London, und hatte ab und zu geschrieben.
    D-Zug nach Köln-Paris-Nord mit Kurswagen nach Calais. In Calais Anschluß an die Schiffsverbindung nach Dover-London.
    Das war es. Das war die große, letzte Hoffnung. In sieben Minuten lief der Zug aus … Bahnsteig 5 A …
    Blankers rannte zum Bahnsteig 5 A. Als werde er verfolgt, lief er mit keuchenden Lungen durch die lange Halle, wich den anderen Reisenden aus, hetzte die Treppe hinauf und sah den langen Zug abfahrbereit auf dem Gleis stehen.
    Noch vier Minuten.
    Die Türen wurden von den Schaffnern schon zugeschlagen, an den Fenstern verabschiedeten sich Ehepaare und Verwandte, Gepäckwägelchen versperrten den Weg …
    »Bitte einsteigen und die Türen schließen! Der Zug fährt gleich ab«, tönte blechern eine Stimme aus den Lautsprechern.
    Margit! schrie es in Blankers. Nein, fahr nicht! Bleib, bleib … wenn du in diesem Zug bist … bitte, bitte steh am Fenster, daß ich dich sehen kann, daß ich dich und unsere Monika zurückholen kann in ein glückliches Leben, in eine Liebe, die größer ist als sie je war … Margit!
    An Blankers vorbei rollte ein Gepäckträger, einer der letzten seiner Zunft, seinen Wagen. Vier helle Lederkoffer standen darauf, und Blankers durchzuckte es heiß, als er sie sah. Er erkannte sie sofort, er hatte sie selbst mit Margit gekauft, vor ihrer ersten Spanienreise. Es gab gar keinen Zweifel, sie waren es! Sie waren es!
    Blankers hatte das Gefühl, springen und tanzen und jubeln zu müssen. Neben dem Gepäckträger lief er her wie ein Betrunkener, und jeder, der seinen Atem roch, mußte dies auch annehmen.
    Und dann sah er sie. Margit stand vor einer offenen Wagentür, Monika auf dem Arm, und wartete auf die Koffer. Einen Fuß hatte sie schon auf die untere Stufe gesetzt; jetzt stieg sie ein; ihre langen, schlanken Beine steckten in weißen Stiefelchen und tasteten vorsichtig nach der nächsten Eisenstufe.
    Noch zwei Minuten.
    Die Stimme aus dem Lautsprecher: »Bitte einsteigen und die Türen schließen! Achtung an der Bahnsteigkante!«
    »Margit!« brüllte Blankers aus voller Brust. »Margit!«
    Der Gepäckträger neben ihm zuckte heftig zusammen, starrte ihn an und sagte laut: »Seit wann heißt 'ne Buddel Margit?!«
    Mit drei großen Sprüngen war Blankers an der Tür und streckte beide Hände aus. »Margit!« rief er mit zitternder Stimme. »Bleib! Bitte, bleib bei mir!«
    Erschrocken, erstaunt, fassungslos drehte sich Margit um und starrte ihren Mann an. Monika auf ihrem Arm quietschte und streckte beide Händchen nach Blankers aus. »Papa – «, jauchzte sie. »Papa – «
    »Die Koffer, Madame!« sagte der Gepäckträger und stieß Blankers zur Seite, »'n bißchen spät, aber noch rechtzeitig. In welches Abteil?«
    »Die Koffer bleiben draußen!« Blankers griff in die Manteltasche und drückte dem Gepäckträger einen Fünfzigmarkschein in die Hand. »Sie hätten gar nicht früher kommen dürfen, Mann! Fahren Sie die Dinger wieder zum Ausgang zurück.«
    »Klaus!« Margits schmales Gesicht war voller Qual. »Ich weiß, daß du mit Vater gesprochen hast. Nun hat doch alles keinen Zweck mehr …«
    »Komm!« sagte Blankers fest. Er nahm ihr das Kind ab, drückte es an sich, küßte es und trat zwei Schritte zurück. »Komm nach Hause, Liebes!«
    »Einsteigen, bitte!« Der Zugschaffner lief die Wagen entlang und schlug die noch offenen Türen zu. »Bitte zurücktreten, die Herrschaften!«
    »Komm«, wiederholte Blankers eindringlich. Margit nickte und stieg aus. Der Gepäckträger sah noch einmal auf seine fünfzig Mark, hob dann die Schultern, dachte sich
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