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Nacht der Versuchung

Nacht der Versuchung

Titel: Nacht der Versuchung
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schon schnodderigen Mundwerk, ein verhinderter Gammlertyp mit dem Intellekt des im Leben stehenden Massenmenschen. Für sie gab es keine Illusionen. »Auch ein Mann besteht letztlich aus Unterhosen«, sagte sie einmal im Freundinnenkreis. »Und da soll man noch Ehrfurcht haben?«
    Fred Pommer nahm seine italienischen Schuhe unter den Arm und stapfte in Strümpfen weiter durch den Sand. »Ihr habt noch jemand da?« fragte er und zeigte auf ein geöffnetes Fenster des kleinen Ferienhauses. In der Sonne leuchteten hellblonde Haare zwischen den grünen Läden.
    »Das ist Margit, lieber Vetter!« Ursula Fürst blieb stehen. »Margit Bernhardt.«
    »Nie gehört.«
    »Hubert Bernhardt, Baurat.«
    »Hört sich gut an.« Pommer sah auf seine Schuhe und zögerte. Babette lachte hell.
    »Jetzt überlegt er, ob er in Strümpfen standesgemäß ist!« rief sie. »Kinder, brecht euch keine Zacken ab! Hallo, Margit! Hallo!«
    Sie winkte. Im Fenster erschien der Kopf Margits. Einen Augenblick zögerte Fred Pommer, dann winkte er mit den Schuhen in den Händen und kam sich im stillen doch reichlich dumm vor.
    »Mein Vetter Fred«, sagte Ursula Fürst ein paar Minuten später, als Margit ihnen die Tür öffnete. »Er hat von Papa erfahren, daß ich hier bin und will das Wochenende bei uns verbringen. Nun ist er ein wenig schüchtern und ängstlich, denn drei Mädchen hat er nicht erwartet.«
    Fred Pommer schwieg. Er sah Margit mit großen blauen Augen an, so wie ein Kind in den flimmernden Glanz einer Kerze starrt. Welch ein Mädchen, dachte er dabei. Ich habe nie solch blonde, ins Gold schimmernde Haare gesehen. Und dieses Ebenmaß des Gesichtes, diese körperlich spürbare Reinheit ihrer Jugend, diese Zartgliedrigkeit, in der verborgene Kräfte und Leidenschaften schlummern, diese Aristokratie der Haltung, diese von mir seit jeher gehaßte Überlegenheit der ›gehobenen Kreise‹ … verdammt, das ist ein Mädchen, an dem ein Fred Pommer nicht vorbeigehen kann. Fräulein Bauratstochter, dieser reine Blick aus deinen Augen wird sich bald verdunkeln, und dein schöner Mund wird aufreißen und meinen Namen stammeln …
    Er verbeugte sich mit der Gewandtheit eines arrivierten Kavaliers und zeigte dann lächelnd seine Schuhe.
    »Es ist für mich ein völlig neues Gefühl, in Strümpfen einer so schönen Dame vorgestellt zu werden.«
    »O Gott!« Babette Heilmann schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Wie benehme ich mich, Seite 78 bis 80. Der Herr begrüßt die Dame mit einem Diener, wobei er seinen Kopf leicht nach vorne senkt, aber darauf achtet, daß sein Gesäß nicht zu weit nach hinten stößt …«
    »Du bist wieder unmöglich, Babs«, sagte Margit Bernhardt und gab Pommer ihre lange schmale Hand. Sie bemühte sich dabei, völlig ruhig und gleichgültig zu sein. Aber ihre Gedanken verwirrten sie innerlich. Er hat schwarze Haare, schwarz und glänzend wie ein Südländer, aber leuchtend blaue Augen. Sein Blick ist wie ein elektrisches Messer; er zerschneidet einen schmerzlos. Man kommt sich nackt vor unter diesem Blick, aber man schämt sich nicht. Wer ist dieser Fred Pommer? Ein Vetter Ursulas? Nie gehört! Sie hat nie von ihm gesprochen. Warum hat sie nie von ihm erzählt?
    »Was ist denn nun?« sagte Babette Heilmann. Margit zuckte zusammen. Ihre wirbelnden Gedanken zerflatterten. »Gehen wir ins Haus und trinken Kaffee oder schwimmen wir alle noch ein bißchen?«
    »Ich schlage vor, ich packe erst einmal meine Sachen aus, fahre den Wagen hinters Haus und lasse den jungen Damen ein paar Minuten Zeit, sich über mich zu unterhalten und mit der Tatsache anzufreunden, daß ich ihnen ein paar Tage auf der Pelle liege.« Fred Pommer sah noch einmal Margit Bernhardt an, ehe er sich abwandte und um das Haus herumging. Es war ein sprechender, deutlicher Blick.
    Verwirrt ging Margit ins Haus. »Ich koche Kaffee!« rief sie über die Schulter hinweg den anderen zu und war froh, so die Röte verbergen zu können, die plötzlich ihr Gesicht überzog und nicht zurückzudämmen war.
    *
    In der Nacht schlich Ursula Fürst aus dem Haus. Sie lehnte die Türen an und hüpfte auf Zehenspitzen durch die Diele, weil der Dielenboden knarrte.
    Im Garten, auf der Bank aus Kiefernholz, saß Fred Pommer und rauchte eine Zigarette. Als er Ursula aus dem Haus schlüpfen sah, warf er die Zigarette weg und zertrat sie im Sand.
    »Endlich!« sagte er.
    »Ich habe gewartet, bis die anderen wirklich schliefen.« Ursula Fürst blieb vor ihrem Vetter stehen
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