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Nacht der Versuchung

Nacht der Versuchung

Titel: Nacht der Versuchung
Autoren: Heinz G. Konsalik
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als drahtiger Sportler. Er mietete ein Segelboot und kreuzte mit den drei Mädchen vor Dahme und Kellenhusen, den großen Badeorten an der Ostseeküste. Er sang mit einem etwas tremulierenden Bariton Seemannslieder und kochte in der Kombüse eine Aalsuppe. Am Abend fuhr er mit den Mädchen nach Dahme ins Kurhaus und bewies, daß er ein guter Tänzer war. Vom Wiener Walzer bis zum Twist beherrschte er die ganze Palette eines Parkettlöwen, erzählte von Erlebnissen in Afrika und Indien, denn – so berichtete er – als Kaufmann in einer Exportfirma lerne er die Welt kennen.
    Margit Bernhardt hörte mit glänzenden Augen zu.
    Am dritten Abend blieb er in dem kleinen Ferienhaus. Babette Heilmann und Ursula Fürst wurden von zwei jungen Kavalieren, die sie in Dahme kennengelernt hatten, abgeholt. »Ich habe Kopfschmerzen, Kinder«, sagte Pommer. »Fahrt allein. Ich lege mich hin.«
    »Ich bleibe auch zu Hause.« Margit Bernhardt sah Ursula verständnislos an, als sie bemerkte, wie ihre Freundin blaß wurde.
    »Du kommst mit!« sagte Ursula Fürst gepreßt.
    »Nein, bitte, laß mich hier. Was soll ich denn bei euch? Allein!«
    »Wir finden schon jemanden für dich.«
    »Ich habe keine Lust.«
    »Ich will, daß du mitkommst!« sagte Ursula hart. Vor dem Haus hupten die jungen Männer, ungeduldig, fordernd. Babette war schon gegangen, Fred Pommer saß am Fenster und winkte ihr zu. Er kümmerte sich nicht um die Unterhaltung hinter seinem Rücken, aber er vernahm jedes Wort.
    »Du mußt gehen«, sagte Margit und lächelte unsicher. »Sie werden sonst böse.«
    »Was kümmern mich diese Affen?« Ursula Fürst starrte auf den Rücken ihres Vetters. »Gut, ich gehe! Vielleicht soll das alles so sein. Gute Nacht, Illusion!«
    Sie wandte sich um und rannte aus dem Zimmer. Pommer sprang auf. »Gute Nacht, Cousinchen!« rief er Ursula nach und schloß die Tür, die sie offengelassen hatte. Nebeneinander standen sie dann am Fenster und winkten den beiden Wagen nach, die mit heulenden Motoren zwischen den Kiefern verschwanden.
    »Nun sind wir allein«, sagte Pommer. Er ging unruhig im Wohnzimmer hin und her, blieb am Fenster stehen, sah hinaus aufs Meer, nahm seine Wanderung zwischen Sofa und Eßtisch wieder auf und warf ab und zu einen Blick auf Margit Bernhardt. Etwas Unausgesprochenes lag in der Luft, etwas Beklemmendes und Drückendes.
    »Ein schöner Abend«, sagte er und öffnete das Fenster. »So voller Milde.«
    »Ja …« Margit Bernhardt blickte über seine Schulter hinaus in die Nacht. Er spürte den leichten Druck ihrer Brüste gegen seinen Rücken, atmete den herbsüßen Duft ihres Haares, spürte das Wehen ihres Atems gegen seinen Nacken, wenn sie sprach. In seinen Schläfen hämmerte das Blut, das Herz schien sich wie ein Ballon zu blähen, drückte gegen die Rippen, auf die Lungen, machte das Atmen schwer. Er wußte, ohne es ertasten zu müssen, daß ihm Schweiß auf der Stirn stand, kalter Schweiß. Seine Lippen dagegen waren trocken, die Mundhöhle brannte wie bei einem Verdurstenden.
    »Man sollte schwimmen«, sagte er leise. Er erkannte seine eigene Stimme nicht mehr. Sie war tonlos, wie in Watte gepackt. »Sind Sie schon mal nachts geschwommen?«
    »Nein.« Margit Bernhardt spürte das Flimmern in ihrem Körper bis zu den Fingerspitzen. Was ist bloß mit mir, dachte sie. Mein Gott, drei Tage bin ich allein, und schon verändert sich die Welt, und ich verändere mich mit ihr.
    »Es gibt nichts Schöneres, als beim Mondschein im Meer zu treiben. Man kommt sich vor wie ein Stückchen Stern, das vom Himmel herunter ins Wasser fiel. Man ist so schwerelos, so ganz Natur, so völlig Element. Wenn man die Wellen über den nackten Körper streichen fühlt …«
    »Nackt?« sagte Margit leise.
    »Natürlich. Beim Mondschein badet man nur ›ohne‹.« Fred Pommer beugte sich aus dem Fenster, um Margit nicht ansehen zu müssen. »Wir sollten es mal versuchen. Es ist wunderbar.«
    »Ohne …«
    »Wir gehen an verschiedenen Stellen ins Meer und treffen uns im Wasser. Sie werden sehen: alle hintergründigen Gedanken werden von uns abgeschwemmt.«
    »Es ist das erste Mal …«
    »Es gibt immer im Leben das ›erste Mal‹.«
    Margit Bernhardt nickte. Sie zögerte, in einer letzten Auflehnung gegen sich selbst, dann ging sie zur Tür ihres Zimmers.
    »Kommen Sie in zehn Minuten nach … nicht früher.«
    »In genau zehn Minuten!«
    Die Tür fiel zu. Fred Pommer trat zurück ins Zimmer und brannte sich mit zitternden Fingern
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